Auf einen Blick
- Experten raten gegen fünf Milliarden Franken Autobahnausbau
- Liste der Experten umfasst viele Grüne und VCS-Mitglieder
- 340 Fachleute, darunter 50 Angestellte im öffentlichen Verkehr
Soll die Schweiz fünf Milliarden Franken in ihre Autobahnen investieren? In zwei Wochen wird abgestimmt. Die Umfragen versprechen ein knappes Rennen. Entsprechend tief greifen beide Seiten in die Trickkiste. Beispielhaft ist ein Coup der Ausbaugegner. Vor zwei Wochen zauberten sie eine Armada von Experten aus dem Hut, die ihre Haltung unterstützen. «340 Verkehrsfachleute empfehlen ein Nein zum Autobahnausbau», titelten die Tamedia-Zeitungen («Der Vorgang ist ungewöhnlich und politisch brisant»). Der beabsichtigte Effekt ist klar: Das Experten-Label soll Neutralität vermitteln. Wer die Wissenschaft auf seiner Seite hat, hat die Wahrheit auf seiner Seite.
Um wen es sich bei den Fachleuten handelt, erfuhr das Publikum nicht. Blick hat sich die Namen angeschaut. Wer sich politisch unabhängige Forscher vorgestellt hat, liegt falsch. Die Liste liest sich wie ein Who is who der ökologischen Avantgarde des Landes. Grüne, Grünliberale und VCS-Mitglieder sind bestens vertreten. Noch breiter ist – mit über 50 Angestellten – der Öffentliche Verkehr als Arbeitgeber präsent, allen voran die SBB. Mehr als 40 sind bei Schweizer Städten tätig. Vor allem aber dominiert unter den Fachleuten die Liebe fürs Zweirad.
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Wie etwa bei Mitunterzeichnerin Kathrin Hager. Sie arbeitet beim Kanton Zürich und ist Präsidentin der Velokonferenz Schweiz. Oder Dave Durner. Er verdient bei der Stadt Zürich sein Brot als Projektleiter Velosicherheit. Numa Glutz ist für die Stadt Neuenburg tätig und leitet dort ebenfalls Projekte. Daneben engagiert er sich für den VCS. Dabei ist auch Klaus Zweibrücken, Professor für Verkehrsplanung, Ex-Präsident des Fussgängervereins Zürich und Beirat von Fussverkehr Schweiz.
Es finden sich auch Personen mit politischen Mandaten: Karin Bétrisey ist Grünen-Grossrätin im Kanton Thurgau. Der grösste Promi auf der Expertenliste ist Ursula Wyss. Sie war SP-Fraktionschefin im Bundeshaus, Mitglied der Berner Stadtregierung. Und Mitautorin des Buchs «Velowende».
Studierende, Studienabgänger, Praktikantinnen
Ausserdem gibt es eine auffällige Häufung einzelner Firmen: Ein Dutzend der aufgeführten Fachleute sind bei Transitec angestellt, einem Unternehmen für Verkehrsplanung, das unter anderem von staatlichen Aufträgen in den Bereichen ÖV, Fussverkehr und Stadtplanung lebt. Gleich 30 Expertinnen und Experten stehen bei Metron AG auf der Payroll, einem Büro für Architektur und Raumentwicklung («Wir gestalten Lebensräume»). Zu den Kunden gehören die Zürcher Verkehrsbetriebe VBZ, für die Metron die «Netzentwicklungsstrategie 2040» entwickeln darf. Dass diese Branche kein Interesse daran hat, öffentliche Gelder in die Nationalstrassen zu leiten, liegt auf der Hand.
Ebenso bemerkenswert: Auf die Liste geschafft haben es auch Studierende, Studienabgängerinnen, Praktikanten und Doktoranden. Experten für motorisierten Verkehr mit einem akademischen Leistungsausweis sind eine Minderheit.
Was die 340 Leute aber alle eint: Sie sind Profis für gelungenes Campaigning.