Auf einen Blick
- Bundesrat plant Gesetzesänderung für Schuldenerlass und zweite Chance für Verschuldete
- Nachlassverfahren vereinfacht, neues Sanierungsverfahren für hoffnungslose Fälle eingeführt
- 2023 wurden 6169 Haushalte erstmals von Schuldenberatungsstellen betreut, Anstieg zum Vorjahr
Wer in der Schweiz in die Schuldenfalle gerät, der bleibt dort meist bis ans Lebensende. Anders als in vielen anderen Ländern kennt das Schweizer Recht keinen Schuldenschnitt, der Betroffenen eine zweite Chance ermöglichen soll.
Das soll sich bald ändern: Der Bundesrat will im Bundesgesetz endlich eine Sanierung hoffnungslos Verschuldeter verankern, wie er am Mittwoch bekanntgab. Um verschuldeten Schweizerinnen und Schweizern endlich wirksam aus der finanziellen Misere zu helfen, soll ein bestehendes Verfahren vereinfacht sowie ein neues eingeführt werden.
Schuldenerlass auch für hoffnungslose Fälle
Das soll nicht nur den Schuldnern, sondern auch der Gesellschaft zugutekommen. «Die Möglichkeit, dereinst wieder schuldenfrei leben zu können, bietet für die Schuldnerinnen und Schuldner einen Anreiz, sich rasch wirtschaftlich zu erholen», so der Bundesrat. So könnten etwa auch die Sozialversicherungen sowie das Gesundheitssystem entlastet werden.
Zentral sind diese beiden Änderungen:
- Zum einen sieht die Gesetzesrevision ein überarbeitetes Nachlassverfahren für Schuldner mit regelmässigem Einkommen vor. Bisher können durch einen sogenannten Nachlassvertrag nur Teile der Schulden erlassen oder längere Stundung vereinbart werden, wenn die Mehrheit aller Gläubiger zustimmt und ein Gericht dies als angemessen sieht. Neu soll eine Mehrheit der Gläubiger, die sich aktiv am Verfahren beteiligen, reichen. Anschliessend sollen sich auch die Gläubiger dem Beschluss beugen müssen, die nicht einverstanden sind oder sich nicht aktiv gemeldet haben.
- Hoffnungslos Verschuldeten, bei denen sich die Gläubiger gegen eine Nachlassvereinbarung stellen, soll dennoch unter die Arme gegriffen werden: In einem sogenannten konkursrechtlichen Sanierungsverfahren müssen diese über drei Jahre lang alle verfügbaren Mittel an ihre Gläubiger abgeben sowie ihre Bemühungen für die Erzielung eines regelmässigen Einkommens nachweisen. Kommen die Schuldner diesen Bedingungen nach, werden anschliessend die restlichen Forderungen gestrichen.
Fachstellen betreuen immer mehr Betroffene
Laut Zahlen der Fachstellen verschulden sich in der Schweiz von Jahr zu Jahr immer mehr Menschen. Berieten sie 2022 noch 5216 Haushalte erstmals, waren es im 2023 bereits 6169. Der Entscheid des Bundesrates wird daher freudig aufgenommen. «Wir begrüssen die Änderungen sehr», sagt Pascal Pfister (48), Geschäftsleiter der Schuldenberatung Schweiz. «Bisher war die Türe für eine zweite Chance quasi verschlossen – neun von zehn Personen, die wir beraten, konnten wir bisher keine Perspektiven bieten.»
Pfister sieht die Vorlage trotz einiger kritischer Punkte als ausgeglichen an. «Es ist eine Lösung, die auch die Interessen der Gläubiger und des Staats in Betracht zieht», sagt er. Für die Schuldner seien die Hürden dementsprechend weiterhin hoch. «Natürlich ist es nichtsdestotrotz ein Fortschritt.»
Verschiedene Massnahmen sollen Missbrauch verhindern
Unbeschränkt sollen die beiden Sanierungsmöglichkeiten jedoch nicht beansprucht werden können: Wer einmal entschuldet wurde, muss zehn Jahre warten, bevor er das Verfahren erneut nutzen kann. Und wer beispielsweise durch eine Erbschaft plötzlich zu Geld kommt, muss einen Teil davon auch für eine gewisse Zeit nach dem Verfahren an die Gläubiger abgeben.
Zudem sollen die Kantone den Schuldnern während des Verfahrens den Zugang zu Beratungsstellen gewährleisten, die ihnen die nötigen Budgetkompetenzen vermitteln. So soll verhindert werden, dass bei den Betroffenen die Schuldenfalle erneut zuschnappt. Nun muss sich das Parlament der Vorlage annehmen.