Der Bundesrat will zwei neue Casinos. Im Raum Winterthur ZH und Lausanne VD soll je eine Spielbank der A-Klasse entstehen. Bei diesen fliessen die Erlöse vollumfänglich in die AHV. Mit ihren Entscheiden zementiert die Landesregierung die bisherige Glücksspiel-Praxis. Dabei hat sich diese längst überlebt, wie eine Studie der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse zeigt.
Zwar rechnet die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) vor, wie viele Anwohner innerhalb von 30 Autominuten ein Casino erreichen können müssen, damit diese eine Bewilligung bekommen kann. Und das, obwohl sich Spielcasinos zunehmend auch online ihre Kunden suchen, wo der Standort keine Rolle spielt.
Lotterien und Casinos gleichen sich an
Um Kunden buhlen online auch die beiden Schweizer Lotteriegesellschaften Swisslos und Loterie Romande, die auf ihren Websites Glücksspiele anbieten, die mehr und mehr jenen der Casinos gleichen würden, schreiben die Studienautoren von Avenir Suisse.
Sie stellen infrage, ob es Sinn macht, dass Gemeinden und Kantone Casinos betreiben. Zumal die öffentliche Hand so gleichzeitig Anbieterin, finanzielle Nutzniesserin und Aufsicht ist. Und ob es wirklich notwendig sei, dass die beiden Lotteriegesellschaften mit der Geldspielaufsicht (Gespa) noch eine separate Aufsicht haben. Oder ob so nicht einfach sinnlos Geld verbrannt wird.
Die Aufsicht schweigt – und auch sonst fast alle
Die ESBK, die die Aufsicht über die Spielbanken hat, stellt sich solche Fragen nicht – obwohl sie gerade für den Bundesrat einen Bericht zur Casinolandschaft verfasst hat. Derartige Überlegungen anzustellen, sei nicht ihre Aufgabe, heisst es von der Kommission.
Auch sonst macht das ausser Avenir Suisse niemand – zu viel Geld ist im Spiel. Zu risikolos sprudeln die Einnahmen aus Rubbellosen und Spielautomaten bei der öffentlichen hohlen Hand.
Während von den A-klassigen Spielbanken der Bund profitiert, sind es bei den B-Casinos die Standortkantone. Dabei ist es nicht die Dame im Abendkleid am Roulettetisch oder der Herr im Smoking beim Black Jack, die die öffentlichen Kassen füllen, sondern der Geringverdiener am einarmigen Banditen. Auch darüber redet die Aufsicht ESBK weniger gern – die Gewinne für den Fiskus sind wohl zu verlockend.
Kantone profitieren vom Geldsegen
Eindrücklich sind die Gewinnaussichten auch beim Lotto. Der Bruttospielertrag von Swisslos lag 2020 bei 620 Millionen Franken. Bei der Loterie Romande lag er bei 374 Millionen Franken.
Böse Zungen behaupten, die schönste Aufgabe für die Kantonsregierungen sei die Verteilung der Lotteriegelder. Gratisgeld zum Verjubeln. Kein Wunder, gibt es in der Schweiz mehr als 80 Lotteriefonds. Ein «Extrembeispiel» ist laut Avenir Suisse der Kanton Luzern. Dieser hat allein 18 verschiedene Lotteriefonds geschaffen, um den Geldsegen regnen zu lassen. Laut der Denkfabrik verschlingt die Führung jedes einzelnen Fonds 280'000 Franken. Der Kanton verbrennt also fünf Millionen Franken, damit er Geld verschenken kann.
Werden gar Haushaltslöcher gestopft?
Und dabei geht das Geld nicht immer da hin, wo es laut Gesetz landen soll. Gemäss Avenir Suisse wird es gar – und das wäre verboten – fürs Stopfen von Löchern in der Staatsrechnung verwendet. Das Gesetz verlangt einen gemeinnützigen Einsatz. Doch was heisst schon gemeinnützig? Das Wallis investierte 2019 laut Avenir Suisse 27 Prozent der Lotteriegelder in die «Umwelt- und Entwicklungshilfe». Die Studienautoren gehen davon aus, dass so kaschiert wird, dass der Kanton damit den Tourismus stützt.
Der Lausanner Staatsrechtler Etienne Grisel bezeichnete die Lotteriefonds einst als «eine Art legaler schwarzer Kassen». Der Bundesrat hat das bisherige System am Mittwoch zementiert.