Der Rentner ist 70 Jahre alt, besitzt nach eigenen Angaben ein Vermögen im siebenstelligen Bereich. Jetzt hat er ein Ziel: Er will sich «massvoll Entkapitalisieren», also sein Geld loswerden. Der schnellste Weg dazu: Glücksspiel. Der Pensionär besucht häufig das Grand Casino Luzern. Mal spielt er um 100, mal um 200 Franken. Peanuts, im Vergleich zu den Tausendernoten, die notorische Zocker in schneller Folge aus den Taschen ziehen.
Trotzdem gerät der Pensionär ins Visier der Casinoleitung. Innert zwei Wochen muss er zu einem Gespräch erscheinen und danach seine finanzielle Lage dokumentieren.
«Wie ein Krimineller behandelt»
Die Prüfung konnte nicht anders als zu seinen Gunsten ausfallen. Danach wäre er im gediegenen Haus an der Seepromenade wieder willkommen gewesen, doch diese Spielstätte wird ihm beim «massvollen Entkapitalisieren», keine Hilfe mehr bieten können.
In einem scharfen Brief liess er das Casino wissen, wie sehr ihn die aus heiterem Himmel verfügte Prozedur empört hat. Er habe sich «wie ein Krimineller» behandelt gefühlt.
Man habe sich ja nach Aussagen der Verantwortlichen nur deshalb veranlasst gesehen, ihn in die Mangel zu nehmen, weil er vorübergehend recht häufig aufgetaucht sei. Er habe dies aber nur getan, «um mit kleinen, begrenzten Einsätzen einen Teil meiner Freizeit zu verbringen».
Als «erniedrigend und unsorgfältig» empfand der Spieler, dass ihm der Sozialkonzeptverantwortliche auch nach Einsichtnahme in seine Finanzen am Telefon unterstellt habe, über seine Verhältnisse zu leben. «Wie kommt ein Casinoangestellter dazu, meine Lebensführung zu hinterfragen?» empörte er sich im Brief.
Ermessensspielraum genutzt
In der Tat: Die Häufigkeit der Besuche ist im Gesetz nicht als Kriterium aufgeführt. Bei älteren Menschen ist sie auch keine Seltenheit.
Doch die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK), welche bei Nichteinhaltung des Sozialkonzepts Sanktionen bis zum Entzug der Konzession aussprechen kann, verweist darauf, dass die Casinos bei den im Gesetz ebenfalls festgehaltenen Früherkennungsmerkmalen einen Ermessensspielraum haben. Und diesen haben die Luzerner genutzt.
Für die ESBK ist es nicht verkehrt, wenn einmal zu viel genau hingeschaut wird als zu wenig. 2016 belegte sie ein Casino mit einer Busse, weil es bei einem gefährdeten Spieler zu spät eingriff. Der Fall ging bis vor Bundesverwaltungsgericht, wo die ESBK grundsätzlich Recht bekam; die Busse wurde jedoch reduziert.
Schwelle bewusst niedrig angesetzt
Der Direktor des Grand Casino Luzern, Wolfgang Bliem, teilte auf Anfrage mit, die Casinos seien gesetzlich verpflichtet, «umfangreiche und detaillierte Abklärungen vorzunehmen, wenn Anzeichen bestehen, dass ein Spieler über seine Verhältnisse spielen könnte». Der Gesetzgeber habe die Schwelle zum Verhängen einer Spielsperre bewusst niedrig angesetzt.
Die Schweiz habe im weltweiten Vergleich eine der strengsten Gesetzgebungen bezüglich Spielerschutz, findet Bliem. Es sei nachvollziehbar, dass die gesetzlich geforderten Abklärungen als Eingriff in persönliche Rechte empfunden werden könnten.
Spielsperre bei Verdacht
Die Aufhebung des Spielbankenverbots nach der Volksabstimmung von 1993 wurde mit einer Reihe von Auflagen verknüpft. So verpflichtet ein Sozialkonzept die Casinos, eine Spielsperre auszusprechen bei Verdacht, dass jemand überschuldet ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen kann oder mit Einsätzen spielt, die in keinem Verhältnis zu seinem Einkommen und Vermögen stehen.
Es gibt Skeptiker, die der Selbstkontrolle der Casinos nicht trauen. Ein Kommentator schrieb kürzlich, das sei so, «als würde man Geschwindigkeitslimiten einem Raser überlassen». Der Druck der ESBK, die regelmässig Inspektionen durchführt, sorgt aber offensichtlich dafür, dass die Casinos der «Raserei» am Spieltisch Einhalt gebieten, auch mal im Übereifer.