Martina T.* aus dem Kanton Zürich war auf der Gewinnerseite des Lebens. Die Mittfünfzigerin verdient ein sechsstelliges Jahressalär im Verkauf bei einem grossen Unternehmen, hatte ihr Leben und ihre Finanzen im Griff. Ein paar Klicks auf ihrem Handy änderten alles. Ende 2016 lädt sie sich die Casino-App «Pokerist» herunter – und verliert und verliert. Nach dem Ausbruch der Pandemie spielt sie sogar noch mehr – bis ihr Bankkonto leer ist. Am Ende haben sich eine Viertelmillion Franken in digitalen Staub verwandelt!
BLICK trifft Martina T. in einem Café in Zürich. «Nie hätte ich gedacht, dass mir so etwas passieren kann. Ich habe 250'000 Franken in einem Handygame verzockt!», erzählt sie und scheint selber noch nicht ganz zu verstehen, wie es so weit kommen konnte. Die Einsicht kam spät: «Ich bin spielsüchtig. Aber ich wurde auch gnadenlos abgezockt.» T. möchte anonym bleiben, will aber vor dem Spiel und ihrem Schicksal warnen.
Fast 90 Seiten Kreditkarten-Rechnungen seit 2017
In einer Einkaufstasche hat sie ihre Kreditkarten-Rechnungen seit Anfang 2017 dabei. «Ich kann das nicht anschauen, sonst wird es mir schlecht», sagt sie beim Überreichen. Der Stapel Papier ist dick wie ein Buch, es sind Tausende Überweisungen. «Ich weiss ja eigentlich bei jedem einzelnen Spiel, dass ich das nicht tun sollte. Trotzdem kann ich irgendwie nicht aufhören», sagt sie.
Aufhören wollte sie eigentlich schon mehrmals und ging auch zu einer Beratungsstelle. Sie kennt die Ansprechpartner, arbeitete früher selber mit Süchtigen. Martina T. liess sich ihre Konten in der App löschen, blockierte alles. Es nütze nichts. Das Problem ist der einfache Zugang: «Im Verkauf habe ich oft Wartezeiten und hänge ohnehin viel am Handy.» So ist die Versuchung immer in der Handtasche, nur ein paar Klicks entfernt. Und niemand schöpft Verdacht, wenn die Geschäftsfrau mal wieder an einem ihrer mehreren Handys ist.
Viele Menschen in der Schweiz leiden auch seelisch unter den Auswirkungen der Corona-Krise. Deshalb initiiert das Bundesamt für Gesundheit (BAG) den Aktionstag «Darüber reden. Hilfe finden». Er findet am 10. Dezember 2020 statt.
Die Hilfsorganisationen Pro Mente Sana, Dargebotene Hand, Pro Juventute, Pro Senectute, Caritas und das Schweizerische Rote Kreuz widmen sich gemeinsam mit vielen weiteren Akteuren den verschiedensten Aspekten des Themas psychische Gesundheit. Menschen in schwierigen Situationen sollen so Solidarität erfahren und über konkrete Hilfsangebote informiert werden. Der Tag sensibilisiert auch die Gesamtbevölkerung dafür, im Umfeld aufmerksam zu sein und Hilfe zu leisten.
BLICK macht dieses wichtige Thema zum Schwerpunkt und berichtet vor, während und nach dem Aktionstag ausführlich darüber.
Weitere Informationen unter https://bag-coronavirus.ch/hilfe/
Viele Menschen in der Schweiz leiden auch seelisch unter den Auswirkungen der Corona-Krise. Deshalb initiiert das Bundesamt für Gesundheit (BAG) den Aktionstag «Darüber reden. Hilfe finden». Er findet am 10. Dezember 2020 statt.
Die Hilfsorganisationen Pro Mente Sana, Dargebotene Hand, Pro Juventute, Pro Senectute, Caritas und das Schweizerische Rote Kreuz widmen sich gemeinsam mit vielen weiteren Akteuren den verschiedensten Aspekten des Themas psychische Gesundheit. Menschen in schwierigen Situationen sollen so Solidarität erfahren und über konkrete Hilfsangebote informiert werden. Der Tag sensibilisiert auch die Gesamtbevölkerung dafür, im Umfeld aufmerksam zu sein und Hilfe zu leisten.
BLICK macht dieses wichtige Thema zum Schwerpunkt und berichtet vor, während und nach dem Aktionstag ausführlich darüber.
Weitere Informationen unter https://bag-coronavirus.ch/hilfe/
Niemand bemerkte die Spielsucht – bis heute
Bei «Pokerist» handelt es sich nicht um eine klassische Casino-App. Zwar kann man mit echtem Geld virtuelle Spielchips kaufen und diese setzen und vermehren, falls man denn gewinnt. Aber: Man kann sie nicht mehr in echtes Geld umtauschen. Alle Gewinne bleiben im Spiel. «Man bezahlt, um mehr spielen zu können und an besseren Tischen», erklärt Martina T.
Nur: Ihre teuer erkauften Onlinechips halten nicht lange. «Manchmal konnte ich zwanzig Mal hintereinander verlieren, das ist statistisch eigentlich fast unmöglich», sagt Martina T. Sie ist sicher: Es geht hier nicht alles mit rechten Dingen zu. Ähnliche Vorwürfe finden sich auch in den Bewertungen des Spiels, das schon millionenfach heruntergeladen wurde. Der Anbieter mit Sitz in Irland sagte zum Fall nur: Die Software sei absolut legal. Zum Rest will man sich nicht äussern.
Der einzige Trost von Martina T.: Sie hat keine Schulden gemacht. Und kann ihren Lebensunterhalt bestreiten, da sie noch immer ihren Job hat. «Bis auf meine engsten Freunde weiss niemand von der Spielsucht», sagt sie. Zurück bleiben Selbstzweifel – und Wut. Trotzdem ist sie auch heute nicht ganz vom Spiel weg. «Ich spiele aber viel weniger», so T. Auch wenn es ihr jedes Mal fast den Magen umdreht, wenn sie das Programm öffnet.
Die Schweiz ist ein Land der Spieler. 3% der Schweizer zocken exzessiv Geldspiele. «Das sind um die 200'000 Menschen», erklärt Markus Meury (50) von Sucht Schweiz. Sie haben zum Beispiel Schwierigkeiten, mit dem Spielen aufzuhören oder sie spielen im Versteckten. «Teilweise dazu kommen knapp vier Prozente der Bevölkerung, die das Internet auf problematische Weise nutzen, das sind vor allem junge Menschen.»
Corona hat alles noch schlimmer gemacht. «Wir wissen von internationalen Studien, dass einige Glücksspiel-Anbieter massiv mehr Umsatz gemacht haben.» Dazu seien entsprechende Angebote seit dem Ausbruch der Pandemie stark beworben worden. Deshalb wurde die Kamagne «SOS-Spielsucht» lanciert, wo Betroffene Hilfsangebote finden.
Gerade im Internet sei das Suchtpotential hoch. «Online-Angebote machen schneller süchtig.» Die Gründe: Fehlende soziale Kontrolle, permanente Verfügbarkeit - und der Ruf vom schnellen Geld.
Aber auch viele Handyspiele, bei denen kein Jackpot winkt, sind alles andere als unproblematisch, erklärt der Experte: «Diese Spiele sind zunächst gratis, irgendwann kommt man aber nur noch weiter, wenn man Geld investiert.» Das Prinzip: Zuerst anfixen - und dann abzocken.
Für Meury ist darum klar: Der Spielerschutz in der Schweiz muss im Internet massiv verbessert werden.
Die Schweiz ist ein Land der Spieler. 3% der Schweizer zocken exzessiv Geldspiele. «Das sind um die 200'000 Menschen», erklärt Markus Meury (50) von Sucht Schweiz. Sie haben zum Beispiel Schwierigkeiten, mit dem Spielen aufzuhören oder sie spielen im Versteckten. «Teilweise dazu kommen knapp vier Prozente der Bevölkerung, die das Internet auf problematische Weise nutzen, das sind vor allem junge Menschen.»
Corona hat alles noch schlimmer gemacht. «Wir wissen von internationalen Studien, dass einige Glücksspiel-Anbieter massiv mehr Umsatz gemacht haben.» Dazu seien entsprechende Angebote seit dem Ausbruch der Pandemie stark beworben worden. Deshalb wurde die Kamagne «SOS-Spielsucht» lanciert, wo Betroffene Hilfsangebote finden.
Gerade im Internet sei das Suchtpotential hoch. «Online-Angebote machen schneller süchtig.» Die Gründe: Fehlende soziale Kontrolle, permanente Verfügbarkeit - und der Ruf vom schnellen Geld.
Aber auch viele Handyspiele, bei denen kein Jackpot winkt, sind alles andere als unproblematisch, erklärt der Experte: «Diese Spiele sind zunächst gratis, irgendwann kommt man aber nur noch weiter, wenn man Geld investiert.» Das Prinzip: Zuerst anfixen - und dann abzocken.
Für Meury ist darum klar: Der Spielerschutz in der Schweiz muss im Internet massiv verbessert werden.
* Name geändert