Heli-Taxi, Banane und Schnaps im Überfluss
Diese Spesenaffären bewegten die Schweiz

Albert Röstis Beamtinnen buchten sich auf Staatskosten ein Wellness-Hotel, um in der Zeit einem Online-Seminar teilzunehmen. Sie sind kein Einzelfall: Immer wieder kommt es zu Spesen-Affären.
Publiziert: 26.01.2025 um 17:39 Uhr
|
Aktualisiert: 26.01.2025 um 18:11 Uhr
1/7
Damit sie mehr Ruhe als im Büro haben, haben zwei Bundesmitarbeiterinnen in einem Wellness-Hotel eingecheckt.
Foto: Sobli

Auf einen Blick

  • Beamte des Bundesamts für Strassen verursachen Spesenaffäre mit Luxushotel-Aufenthalten
  • Immer wieder werden Spesenaffären in Schweizer Behörden und Organisationen aufgedeckt
  • 53 Gläser Appenzeller wurden etwa Armee-Führungsseminar auf Staatskosten konsumiert
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_1050.JPG
Sophie ReinhardtRedaktorin Politik

Im Sommer 2024 checkten die Chefin der Internen Revision beim Bundesamt für Strassen (Astra) und ihre Stellvertreterin in einem Walliser 4-Sterne-Hotel in Leukerbad ein. Offiziell waren sie dort für ein «Online-Seminar».

Laut Recherchen von Blick handelte es sich um eine Art Workshop, der problemlos in normalen Büros hätte absolviert werden können. 1190 Franken kostete der Ausflug die Staatskasse, weil die beiden den Aufenthalt via Spesen abrechneten.

Nur eine Woche später checkten die beiden wieder in ein Wellnesshotel ein. Diesmal in Thun. Und nahmen gleich noch weitere Kollegen mit, um mit ihnen einen Workshop durchzuführen. Pikant: Die Hotelübernachtungen im Seepark in Thun verstiessen dabei wohl gegen das Reglement des Bundesamts. Der Zimmerpreis überstieg nämlich das erlaubte Budget von 250 Franken pro Nacht. Der für das Astra zuständige Bundesrat Albert Rösti (57) ist über die Ausflüge seiner Mitarbeiterinnen im Bild. Über Konsequenzen ist nichts bekannt.

Doch die Astra-Beamtinnen sind nicht allein mit ihrer Spesenaffäre. Immer wieder sorgen Spesenritte und Abrechnungen von Beamten für Aufsehen. Blick erinnert an einige davon.

Bananen-Gate in der Berner Regierung

Die Spesenabrechnungen des Berner Regierungsrats Philippe Müller (61, FDP), sorgte letztes Jahr für Kontroversen. So deckte «Kassensturz» auf, dass der Sicherheitsdirektor trotz eines Lohnes von knapp 280'000 Franken trotzdem noch Mini-Beiträge auf seiner Spesenabrechnung hatte.

Dazu gehörten Sachen wie ein Bio-Mehrkornbrötli für 95 Rappen, eine Banane für 20 Rappen oder ein Laugenbretzeli mit Butter für 3.20 Franken. Müller sagte daraufhin, er habe «nie einen einzigen Spesenzettel für Kleinstspesen abgeliefert». Wie die Zettel «genau in die Spesenbuchhaltung kamen, weiss man nicht», so Müller, nachdem ein Shitstorm über ihn hereingebrochen war.

Die Berner Regierung hat auf Anfang Jahr ihr Spesenreglement angepasst: Künftig gilt eine Untergrenze von 50 Franken.

53 Gläser Appenzeller an einem Abend

Auch die Armeespitze pflegte lange einen lockeren Umgang mit Steuergeldern. Eine nach Vorwürfen eingesetzte Untersuchung brachte eine Appenzeller-Orgie ans Licht. Bei einem Führungsseminar 2014 wurde auf Staatskosten reichlich gebechert.

Die 28 Teilnehmer konsumierten damals: «7 Biere, 82 Einheiten Spirituosen (1 Kaffee Zwetschgen Luz, 53 Appenzeller, 17 Grappa Barolo, 4 Scotch Whisky, 6 Vieille Prune Morin, 1 Williams Theiler Pianta), 10 Flaschen Weisswein, 12 Flaschen Rotwein.» Auch neun Zigarren kamen noch auf die Rechnung, listete der Bericht auf.

Dieselbe Untersuchung brachte ebenfalls zutage, dass bei einem Seminar der höheren Stabsoffiziere die Freundinnen und Ehefrauen eingeladen wurden. 2017 wurde der Anlass in Crans-Montana VS durchgeführt. Der damalige Armeechef Philippe Rebord liess 18 Partnerinnen seiner höheren Stabsoffiziere mit dem Helikopter aus Dübendorf, Emmen, Bern, Payerne und Lausanne ins Wallis fliegen. Die Frauen erhielten tags darauf noch einen kostenlosen Golfkurs.

Später entschuldigte sich Rebord öffentlich. Das Verteidigungsdepartement veranlasste daraufhin eine strengere Kontrolle und eine Herabsetzung der Kreditkartenlimiten. Zudem wird Alkohol seither generell von den Spesen ausgenommen.

Genfer Exekutive telefonierte teuer

Die Genfer Staatsanwaltschaft hatte im November 2018 zunächst wegen ungetreuer Amtsführung ein Strafverfahren gegen Unbekannt eröffnet, nachdem bei einer Untersuchung der Spesen der Genfer Stadtexekutive ungerechtfertigte Auslagen festgestellt wurden.

Ein Prüfungsbericht kritisiert danach allen voran den damaligen Stadtrat und CVP-Nationalrat Guillaume Barazzone (43). Er war laut Bericht dasjenige Exekutivmitglied, das mit 42'000 Franken am meisten Spesen verrechnete. Von dieser Summe entfielen über 17'000 Franken auf seine Mobiltelefon-Kosten im Jahr 2017. Auch im Ausland machte Barazzone und seine Regierungskollegen munter Spesen. Etwa an Touristenorten im Ausland oder in Imbissstuben am Strand.

Aber auch für Champagner um 6 Uhr morgens und nächtliche Cocktails in Karaokebars sowie über hundert Taxifahrten musste das Spesenkonto herhalten.

Der CVPler verteidigte sich damals, er habe mehrfach die Kreditkarte der Stadt Genf mit seiner eigenen verwechselt. Als freiwillige Wiedergutmachung zahlte er über 55'000 Franken zurück. Die Genfer Justiz legte daraufhin das Verfahren zu den Akten.

Tierschutz-Chefin bezog fürstliche Spesen

Der Schweizer Tierschutz (STS) machte in den letzten Jahren ebenfalls Negativschlagzeilen. Die ehemalige Miss Schweiz Lolita Morena (64), die viele Jahre im Vorstand des STS sass, wurde gütig bezahlt für ihre Arbeit.

So verrechnete sie dem Tierschutzverein jährlich rund 200'000 Franken für etwa 40 Video-Beiträge mit einer Länge von zehn bis 20 Minuten, welche sie erstellte. Zudem erhielt sie für die Anreise zu den Vorstandssitzungen jeweils 700 Franken Spesen. Letztes Jahr kündigte der Verein den Vertrag mit ihr auf.

Im Juni 2023 hatte SonntagsBlick schon Missstände beim Verein aufgedeckt: Die damalige Präsidentin Nicole Ruch liess sich monatlich Spesen bis zu 5250 Franken auszahlen. Obwohl das Amt als Ehrenamt gilt. Die Bielerin verrechnete jeweils bis zu 90 Stunden für ihre Arbeit für den Verein, was einem 50-Prozent-Pensum gleichkommt. Nebenbei arbeitete sie Vollzeit bei einer Bank. Ruch und Morena sind inzwischen nicht mehr in ihren Funktionen beim STS.

Basler Spesenritter verschenkten Sightseeing-Flug

Ende 2013 stellte die kantonale Finanzkontrolle bei den Basler Verkehrsbetrieben massive Verfehlungen fest, insbesondere bei den Spesen der Chefetage.

Der damalige Direktor und der Vizedirektor hatten Gelder aus der Kasse der Verkehrsbetriebe für private Ausgaben ausgegeben: Essen, Ausflüge, Dienstwagen, eine Zweitwohnung. Der Direktor schenkte dem Leiter Depotbetriebe sogar einen Sightseeing-Flug im «Hunter»-Kampfflugzeug für 7400 Franken.

2021 verurteilte das Basler Strafgericht den ehemaligen Direktor und den Vizedirektor der Basler Verkehrs-Betriebe zu Geldstrafen. Der ehemalige Verwaltungsratspräsident, der zahlreiche Spesen-Exzesse genehmigt hatte, wurde dagegen freigesprochen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?