Das Jubiläum kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Vor 40 Jahren hat sich die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) im Solothurner Restaurant Kreuz gegründet. Doch elf Volksinitiativen und vier Referenden später ist sie von ihrem Ziel, die Armee abzuschaffen, so weit entfernt wie lange nicht mehr. Es herrscht Krieg in Europa. Auch die Schweiz rüstet wieder auf.
Deswegen aber will die GSoA nicht resignieren – im Gegenteil. Für sie ist klar, dass der grösste politische Widerstand gegen die Militarisierung der Schweiz von ihr kommen muss: «Die GSoA hat die Armeekritik in ihrem Namen und in ihrer DNA. Hier haben wir sozusagen das Monopol und dürfen dieses nicht abgeben.»
Gleich sechs Initiativen stehen zur Diskussion
Erneut im Solothurner «Kreuz» feiert sie an ihrer Vollversammlung am kommenden Sonntag nicht nur ihr Jubiläum. Es soll der Startschuss sein zur Gegenoffensive der Friedensaktivisten. Gleich sechs Vorschläge für eine neue Volksinitiative liegen vor, drei Ideen sollen weiterverfolgt werden.
Das GSoA-Sekretariat macht keinen Hehl daraus: Was es auch immer werden soll, das Initiativ-Projekt soll vor allem auch psychologisch helfen. «Es könnte für die GSoA selbst eine einende Wirkung haben.» Das ist den Unterlagen zur Vollversammlung zu entnehmen.
«Dies kann helfen, geeint aufzutreten»
Der Ukraine-Krieg hat aus GSoA-Sicht nicht nur für eine unvorteilhafte politische Stimmung im Land gesorgt. Sogar unter den Friedensaktivisten gebe es unterschiedliche Einschätzungen zu gewissen Fragen, räumt das GSoA-Sekretariat ein. So spaltet etwa die Frage nach Waffenlieferungen in die Ukraine selbst die Pazifisten.
Es braucht wieder gemeinsames Projekt: «Dies kann helfen, geeint aufzutreten sowie eine neue Motivation und neuen Zusammenhalt innerhalb der GSoA zu entfachen.»
1. Armeefinanzierung: Im Visier hat die GSoA etwa die steigenden Armeefinanzen. Eine Initiative könnte fordern, eine Kostenbremse oder einen -deckel einzuführen. Die GSoA hofft, dass der Krieg bis zu einer Abstimmung vorbei wäre: «Dann steigen die Chancen, dass diese Initiative auch beim konservativeren Teil des Stimmvolks auf Zustimmung stösst, nochmals merklich.»
2. Kriegsgewinnsteuer: Der Ukraine-Krieg hat die Rohstoffpreise explodieren lassen, das verschafft Konzernen in der Schweiz Milliarden-Gewinne. Nun liebäugelt die GSoA mit einer Initiative für eine Kriegsgewinnsteuer von mindestens 33 Prozent – für den Wiederaufbau der Ukraine.
3. Humanitäres Korps: Ein militärischer Angriff auf die Schweiz bleibt unwahrscheinlich. Mit dem Klimawandel aber dürften sich Naturkatastrophen häufen. Per Initiative könnte die Armee schrittweise abgebaut werden, um im Gegenzug ein Korps für humanitäre Hilfe aufzubauen.
4. Rüstungsexporte: Schon mit der Korrektur-Initiative nahm die GSoA die Rüstungsexporte ins Visier, worauf das Kriegsmaterialgesetz verschärft wurde. Noch immer aber gebe es zu viele Schlupflöcher. Auch sei die Ausweisung der Rüstungsexporte enorm intransparent. Das will man ändern.
5. Botschaftsasyl: Schon mehrfach gab es Anläufe, das Botschaftsasyl wieder einzuführen. Heute müssten viele Asylsuchende grosse Risiken auf sich nehmen, um überhaupt Zugang zu Asylverfahren zu erhalten.
6. Atomwaffenverbotsvertrag: Trotz Auftrag des Parlaments hat der Bundesrat den Vertrag bis heute nicht unterzeichnet. Gerade mit dem Ukraine-Krieg aber steige die Atom-Gefahr wieder. Bei Annahme einer Volksinitiative wäre der Bundesrat verpflichtet, den Vertrag zu unterzeichnen.
Es wirkt offensichtlich: In einer ersten Phase erscheint der Inhalt einer neuen Volksinitiative zweitrangig. Die sechs Vorschläge umfassen ein buntes Potpourri. Hauptsache, ein neues Projekt eint die Reihen. Eine Volksinitiative als Gruppentherapie.