Seit 2020 gilt für Schafe und Ziegen eine Meldepflicht: Rund 330'000 Schafe und über 80'000 Ziegen wurden seither neu in der Tierverkehrsdatenbank erfasst. Verbunden mit einem Piks in die Ohren: Die Tiere werden – wie bisher etwa auch Rinder oder Schweine – mit zwei Ohrmarken markiert.
Nicht immer ohne Probleme: «Bei der Nachmarkierung ausgewachsener Schafe und zum Teil auch bei der Neumarkierung von jungen Schafen und Ziegen ist es teilweise zu entzündlichen Reaktionen an den Ohren gekommen», bestätigt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) auf seiner Homepage. Es hat deshalb eine Feldstudie mit einem längeren Dorn in Auftrag gegeben sowie eine Umfrage bei Schaf- und Ziegenhaltern durchgeführt. Die Resultate liegen allerdings noch nicht vor.
Tierfreundliche Alternativen
Die Entzündungsproblematik verärgert nicht nur die betroffenen Tierzüchter, sondern ruft nun auch Tierschützerin Meret Schneider (28) auf den Plan. Die grüne Nationalrätin fordert den Bundesrat in einem Vorstoss dazu auf, tierfreundliche Alternativen zur Kennzeichnung von Nutztieren anstelle von Kunststoff-Ohrmarken zu prüfen.
Denn das geltende Prozedere, bei welchem den Tieren die Marke mit einer Zange ins Ohr gepresst wird, verlaufe keineswegs immer problemlos, betont sie: «Er ist für das betroffene Tier mit Stress und zumindest kurzfristigem, aber nicht unerheblichem Schmerz verbunden.» Bei Schafen und Ziegen würden neue Ohrmarken «sogar vermehrt zu schmerzhaften Entzündungen, eitrigen Abszessen, Verkrustungen und erhöhter Schmerzempfindlichkeit führen».
Zudem würden Tiere mit Ohrmarken häufig in Maschendrahtzäunen hängen bleiben und sich die Ohrmarken in der Folge in Panik ausreissen, was üble Verletzungen mit sich bringe.
Schneider sieht Tierwürde verletzt
Für die Co-Geschäftsleiterin der Tierschutzorganisation Sentience Politics stellen die Ohrmarken aber auch «einen schweren Eingriff in die Tierwürde dar, zumal die offensichtliche Zurschaustellung eines Individuums als 'Nummer' in der Nahrungsmittelproduktion eine offensichtliche Instrumentalisierung darstellt».
Der Bundesrat soll daher alternative Kennzeichnungsmethoden prüfen. Schneider denkt dabei etwa an «lebensmittelsicherheitsverträgliche Formen von Mikrochips oder die Markierung durch nicht-invasive Methoden».
Die Technologien des 21. Jahrhunderts sollten es ermöglichen, Schafe, Ziegen, Kälber und weitere Nutztiere schonend zu markieren und sie so vor Schmerzen und Verletzungsgefahren zu schützen, ohne dass Einbussen hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit oder der Tierseuchenbekämpfung hinzunehmen seien, ist die Zürcherin überzeugt.
Auf Ausschreibung verzichten
In einem weiteren Vorstoss verlangt Schneider, die Beschaffung von Ohrmarken für Nutztiere vom üblichen Ausschreibungsverfahren des öffentlichen Beschaffungswesens auszunehmen. Mit dem jetzigen System erhalte meist jener Zulieferer den Zuschlag, der am günstigen offeriere und die benötigten Lieferzeiten gewährleisten könne.
«Das Tierwohl findet in diesem Ausschreibungsprozess zu wenig Berücksichtigung», klagt Schneider. So würden immer wieder Produkte angeboten, «die zu schweren Entzündungsreaktionen bei sensibleren Tieren führen».
Mit der Ausschreibung alle fünf Jahre werde in einer Art Experiment jeweils aufs Neue getestet, ob die zu markierenden Tiere die neuen, vielleicht etwas günstigeren Ohrmarken vertragen würden. «Diese Experimentiererei widerspricht dem Schutzauftrag des Bundes zugunsten des Wohlergehens und der Würde von Tieren und bildet auch eine erhebliche Belastung der Tierhalter», erklärt die Grüne. Um Gesundheit und Wohlergehen der betroffenen Tiere angemessen zu berücksichtigen, soll bei der Beschaffung deshalb eine Ausnahmeregelung gelten.