Darum gehts
- Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer werden zunehmend kritisiert
- Mitte-Nationalrätin Schneider-Schneiter und andere sind schockiert über die Vorwürfe
- Auch die Betroffenen wehren sich gegen die Anschuldigungen
Sogar von «Gratisbürgern» ist schon die Rede: Sie dürfen in der Schweiz wählen und abstimmen, müssen aber keine Steuern zahlen. Und jetzt wollen sie auch noch eine 13. AHV-Rente einstecken. Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer werden zunehmend kritisiert.
Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer verbringen ihren Lebensabend im Ausland. Doch nicht alle sorgen genügend vor: Manche werden zum Problemfall und fordern die Behörden intensiv, wie Blick publik machte. Das löst zum Teil bissige Kommentare aus. Der Tenor: Die Ausgewanderten sollen für sich selbst schauen!
Sind die Landsleute in der Ferne «quasi über Nacht zu Profiteuren mutiert»? Dieser Frage ging kürzlich die «Schweizer Revue» nach, das Hausblatt der rund 826’000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Beklagt wird etwa auch, dass Swissinfo, das Informationsangebot der SRG fürs Ausland, künftig vielleicht nicht mehr finanziert werden soll. Auch andere Beiträge für die Landsleute im Ausland sollen gekürzt werden.
Jahrelang Beiträge bezahlt
Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (61, BL) ist «schockiert» über die Vorwürfe, die teils gegen Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer erhoben werden. Sie ist Mitglied der Auslandschweizer-Organisation und setzt sich seit fast 15 Jahren für die Schweizer Diaspora ein. Die Stimmung habe sich stark verändert, sagt sie zu Blick. «Früher galten sie als Botschafter, heute werden sie als Schmarotzer hingestellt.»
Als Grund sieht sie die schlechte Lage in der Schweiz selbst. «Viele sind der Meinung, man soll zuerst auf die eigenen Leute im Land schauen. Wenn die Leute auswandern und keine Steuern mehr bezahlen, sollen sie auch keine AHV, IV oder Krankenkasse mehr bekommen», so Schneider-Schneiter.
Was jedoch vergessen gehe: Die meisten haben jahrelang Beiträge eingezahlt. Und nicht alle, die aus der Schweiz auswandern, sind Rentnerinnen und Rentner. Zwar steigt deren Zahl seit Jahren – trotzdem gehen die meisten vor Ort einer Arbeit nach. Wie etwa Melanie Andriolos (45): Sie wanderte 2008 nach Thailand aus und besitzt dort eine Tauchschule. Von der schlechten Stimmung gegenüber Auslandschweizern merke sie in Khao Lak nichts, sagt sie.
Auch den Vorwurf, die Auslandschweizer seien Schmarotzer, lässt sie nicht gelten. «Jede und jeder, der hier lebt, hat sich das irgendwann in der Schweiz erarbeitet», sagt sie. Denn auch in Thailand sei das Leben nicht gratis. Vor fünfzehn Jahren liess sich Andriolos Mutter frühpensionieren und folgte ihrer Tochter nach Thailand. Sie kenne viele Rentnerinnen wie ihre Mutter, die sich über die 13. AHV sehr gefreut hätten. «Schliesslich haben auch sie jahrelang Beiträge eingezahlt.»
Ebenfalls über die 13. AHV gefreut hat sich Urs Brog (75). «Natürlich ist das schön. Wir haben aber immer so gearbeitet, dass wir auch ohne zusätzliches Geld durchkommen.» Er und seine Frau wanderten vor 25 Jahren nach Brasilien aus und betreiben dort eine Kakaoplantage. Zuvor hätten sie jahrzehntelang in der Schweiz AHV-Beiträge eingezahlt. «Sonst hätten wir gar keinen Anspruch auf die Rente», sagt Brog. Sollten sie eines Tages gesundheitlich nicht mehr auf der Höhe sein und in die Schweiz zurückkehren, würden sie auch wieder Krankenkassenbeiträge bezahlen.
Einzelfälle schaden dem Ruf
Brog kennt aber auch andere Beispiele: Menschen, die ohne Geld auswandern und sich nicht genügend informieren. Früher sei das Image der Schweizerinnen und Schweizer in der Region sehr gut gewesen. «In den letzten Jahren hat sich das aber verändert, weil immer öfters auch IV-Rentner herziehen oder Leute, die sich schlecht benehmen», sagt er.
Auch Melanie Andriolos aus Khao Lak kennt Beispiele von Menschen, die schlecht informiert nach Thailand gezogen sind. Kürzlich habe sie sogar von einem Mann gehört, der kein Rentenvisum bekommen habe, weil er die Voraussetzungen nicht erfüllte.
Leider gebe es vereinzelt auch unanständige Schweizer im Ausland, sagt Mitte-Nationalrätin Schneider-Schneiter. «Diese Einzelfälle schaden dem Ruf der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer.» Also jenen, die sonst als gute Botschafterinnen der Schweiz im Ausland gelten.
In der «Schweizer Revue» kamen weitere Politikerinnen und Politiker zu Wort. Auch sie äussern sich schockiert über die Vorwürfe. So etwa Grünen-Nationalrat Nicolas Walder (58, GE): «Als ob das Geld, das Schweizerinnen und Schweizer im Ausland ausbezahlt wird, verlorenes Geld wäre!» SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor (60, VS) bringt es so auf den Punkt: «Auslandschweizer sind weder schlechte noch halbe Schweizer. Sie sind Schweizer.»