GLP will den Ständerat erobern
Die Grünliberalen haben nur in Zürich eine Chance

Die GLP will in den Bundesrat. Doch zuvor muss sie den Ständerat erobern. Eine Blick-Auswertung zeigt: Das Unterfangen klingt einfacher, als es ist.
Publiziert: 07.09.2022 um 00:20 Uhr
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GLP-Präsident Jürg Grossen will seine Partei in den Bundesrat bringen. Doch dafür muss er erstmal den Ständerat erobern.
Foto: keystone-sda.ch
Daniel Ballmer

Die Grünliberalen sind im Aufwind. Gemeinsam mit den Grünen reiten sie auf der anhaltenden Öko-Welle. Schon bei den Wahlen 2019 konnten sie ihre Sitzzahl im Nationalrat von 7 auf 16 mehr als verdoppeln. Und: Vieles spricht dafür, dass sie auch im Herbst 2023 weiter zulegen können.

Das macht Lust auf noch mehr. GLP-Präsident Jürg Grossen (53) meldet bereits Ambitionen an. Erreiche seine Partei bei den nächsten Wahlen zehn Prozent Wähleranteil und entsprechend viele Sitze im Parlament, «dann erheben wir Anspruch auf einen Bundesratssitz».

Grosse Hürde Ständerat

Doch vor diesem Ziel steht – das weiss auch Grossen – eine hohe Hürde. Will die GLP in der Landesregierung mitmischen, reicht ein Zuwachs im Nationalrat nicht aus. Es braucht auch grünliberale Ständeräte. Doch in der Kleinen Kammer ist die Partei noch überhaupt nicht vertreten. Nach Verena Diener (73), die von 2007 bis 2015 den Kanton Zürich vertrat, schaffte es kein GLPler mehr in den Ständerat.

In der zweiten Parlamentskammer ist die Partei daher zum Zuschauen verdammt. Ein strategischer Nachteil – und für die anderen Parteien allein schon Grund genug, der GLP einen Sitz im Bundesrat zu verwehren.

Kaum Verbündete

Das soll sich ändern. Die GLP will nächstes Jahr unbedingt einen Fuss in den Ständerat bekommen. Doch das wird nicht einfach. Weil sie weder zum linken noch zum rechten Lager gehören will, kann sie kaum auf Verbündete hoffen.

Das weiss auch Präsident Grossen. Ein «Sturm aufs Stöckli» sei «illusorisch», räumte er kürzlich in der «NZZ am Sonntag» ein. Die Partei wäre schon mit einem oder zwei Sitzen zufrieden. Noch analysiert die GLP-Spitze, in welchen Kantonen sie überhaupt antreten will. Im Fokus steht Zürich, wo mit Fraktionschefin Tiana Angelina Moser (43) und Parteigründer Martin Bäumle (58) gleich zwei Zugpferde Interesse angemeldet haben.

Intakte Chancen in Zürich

Nachdem FDP-Ständerat Ruedi Noser (61) seinen Rücktritt aus dem Stöckli angekündigt hat, ist die Chance intakt, den Freisinnigen ihren Sitz abzujagen. FDP-Nationalrätin Regine Sauter (56), die für die Freisinnigen ins Rennen steigt, gilt als schlagbar – vor allem, wenn Moser als Frau gegen die FDPlerin antreten würde. Auch der grüne Stadtrat Daniel Leupi (56) dürfte nicht einfach durchmarschieren.

Zu hören ist, dass aber auch in einem kleineren Kanton ein Sitz budgetiert werde. Dort ist es für eine kleinere Partei einfacher, mit einer breit bekannten Kandidatur Erfolg zu haben. Eine Auswertung von Blick in den 26 Kantonen zeigt jedoch: Es wird eng.

Unter dem Strich lassen sich die 26 Kantone in drei Kategorien unterteilen:

  1. Vielleicht kann sich die GLP tatsächlich einen Sitz im Ständerat schnappen.
  2. Ein Sitz ist sehr unwahrscheinlich.
  3. Nie im Leben holen sich die Grünliberalen hier einen Ständeratssitz.

Das grünliberale Problem: Zur letzten Kategorie gehört die grosse Mehrheit der Kantone: AI, AR, BL, BS, GE, GL, GR, LU, NW, OW, SH, SZ, SO, TG, UR, VD, VS und ZG. Oder im Klartext: In 18 Kantonen hat die GLP nicht den Hauch einer Chance!

Prominente Köpfe fehlen

Die Partei breitet sich von den Städten zwar immer mehr in die Agglomerationen raus. In ländlichen Regionen aber ist sie noch zu wenig verankert. In manchen Kantonen wurde die GLP gar erst vor rund einem Jahr gegründet. Noch fehlen vielerorts profilierte Köpfe.

Beispiel Basel-Stadt: In den Städten liegt die GLP zwar im Trend. Die bisherige SP-Ständerätin Eva Herzog (60) sitzt aber bombenfest im Sattel. Ein Angriff wäre chancenlos, erst recht für die GLP, die weder von links noch rechts auf Unterstützung hoffen darf.

Schwyz: Mit dem Rücktritt von SVP-Ständerat Alex Kupecht (64) wird zwar ein Platz frei, mit der ehemaligen FDP-Präsidentin Petra Gössi (46) und SVP-Nationalrat Pirmin Schwander (60) treten aber gleich zwei Schwergewichte an. Da spielt die GLP höchstens eine Nebenrolle. Eine Kandidatur wäre eine reine PR-Aktion.

In Waadt kommt es auf Broulis an

Spannender ist die Ausgangslage in der Waadt: Neben jenem der Grünen Adèle Thorens (50) rechnen Beobachter auch mit dem Rücktritt von FDP-Ständerat Olivier Français (66). Die Wahl von SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard (54) gilt als sicher. Doch die FDP könnte ihren Sitz verteidigen. Tritt der freisinnige Finanzdirektor Pascal Broulis (57) an, bliebe der GLP wohl wieder das Nachsehen.

Unwahrscheinlich ist eine GLP-Wahl in den sechs Kantonen Aargau, Freiburg, Jura, Neuenburg, St. Gallen und Tessin – und das ist noch durch eine rosarote Brille betrachtet. Im Aargau balgen sich alle Parteien um den frei werdenden Sitz der SVP, die selber gute Chancen hat. Nach den Kandidaturen von SP, Mitte und Grünen startet die GLP nur aus der zweiten Reihe.

Aussenseiter-Chancen in Bern

Wäre noch der Kanton Bern: Während SP-Ständerat Hans Stöckli (70) seinen Rücktritt angekündigt hat, dürfte SVP-Kollege Werner Salzmann (59) ungefährdet im Amt bleiben. Im ersten Wahlgang werden wohl alle Parteien antreten. Die Favoritenrolle kommt hier der SP-Nationalrätin und einstigen Co-Generalsekretärin Flavia Wasserfallen (43) zu. Hier wird es die GLP auch dann schwer haben, wenn Parteipräsident Grossen oder Nationalrätin Kathrin Bertschy (43) antritt. Beide hätten nur eine Aussenseiter-Chance.

Bliebe einzig Zürich. Zaubert die GLP nicht noch in einem anderen Kanton eine prominente Sympathieträgerin oder einen Sympathieträger aus dem Hut, müssen die Grünliberalen im Kanton Zürich den Sitz schaffen, wenn die Partei ins Stöckli will. Aber auch dann dürfte ein GLP-Bundesrat noch Wunschtraum bleiben. Solange keine Magistratin oder kein Magistrat aus der Landesregierung zurücktritt, bleibt wohl alles beim Alten.

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