Gewerkschaften schlagen bei AHV-Neurentnern Alarm
Gut der Hälfte der Betroffenen fehlen jeden Monat 200 Franken

Wer die volle AHV-Rente will, muss 44 Beitragsjahre leisten. Sonst wird die Rente gekürzt. Die Zahl der Betroffenen nehme zu, warnt nun der Gewerkschaftsbund – und fordert Verbesserungen.
Publiziert: 31.03.2025 um 00:25 Uhr
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Aktualisiert: 31.03.2025 um 09:59 Uhr
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«Jeder fünfte in der Schweiz wohnhafte Neurentner hat Lücken in seiner Altersvorsorge», sagt SGB-Zentralsekretärin Gabriela Medici.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • AHV-Beitragslücken nehmen zu – jeder fünfte Neurentner ist betroffen
  • Ursachen sind vielfältig
  • Gewerkschaftsbund fordert Massnahmen zur Verbesserung der Situation
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Der Gewerkschaftsbund schlägt Alarm: AHV-Beitragslücken werden immer häufiger! «Jeder fünfte in der Schweiz wohnhafte Neurentner hat Lücken in seiner Altersvorsorge», sagt SGB-Zentralsekretärin Gabriela Medici (39) zu Blick.

Sie hat die AHV-Statistik der vergangenen Jahre ausgewertet. Demnach ist der Anteil der von Beitragslücken betroffenen Pensionierten innert 15 Jahren von rund 11 auf fast 19 Prozent gestiegen. «Eine Million der heutigen Erwerbstätigen dürfte damit nur eine Teil- anstelle einer Vollrente erhalten.»

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Wer eine volle Altersrente erreichen will, muss spätestens ab dem Jahr nach seinem 20. Geburtstag seine AHV-Abgaben bezahlen. Und dies bis zum Renteneintritt mit 65. Für eine sogenannte Vollrente sind also 44 Beitragsjahre nötig.

Vielfältige Ursachen für Beitragslücken

Beitragslücken entstehen aus den unterschiedlichsten Gründen. Etwa, weil man die Anmeldung während des Studiums oder bei einem längeren Auslandsaufenthalt vergisst. Ein Risiko besteht ebenso, wenn jemand wegen Unfall oder Krankheit längere Zeit ausfällt. Aber auch durch häufig wechselnde Arbeitgeber kann die Übersicht verloren gehen. Schwarzarbeit führt ebenfalls zu Problemen. 

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Genaue Zahlen fehlen zwar, doch der Löwenanteil dürfte auf die Migrationsthematik zurückzuführen sein. Wer erst mit 30 oder 40 Jahren einwandert, dem fehlen automatisch Beitragsjahre – weshalb hier auch von einer Versicherungslücke gesprochen wird. 

Rentenkürzung um 2,3 Prozent pro Jahr

Die Folge: Für jedes verpasste Beitragsjahr wird die Rente um 2,3 Prozent gekürzt. Das macht bei einer Altersrente von bis zu 2520 Franken monatlich jeweils rund 60 Franken aus. «Gut der Hälfte der Betroffenen fehlen drei bis vier Beitragsjahre – womit monatlich über 200 Franken weniger im Portemonnaie landen», rechnet Medici vor. 

Besonders störend findet die Gewerkschafterin die Abstriche bei unverschuldeten Beitragslücken. «Das ist insbesondere bei Schwarzarbeit der Fall, wenn der Arbeitgeber seiner AHV-Pflicht nicht nachkommt und die Arbeitnehmenden nichts davon wissen», so Medici. «Für die Betroffenen ist das ein finanziell schmerzhafter Schock.»

Immerhin lassen sich Beitragslücken lindern: Sie können bis zu fünf Jahre, nachdem sie entstanden sind, nachbezahlt werden. «Aber nur, wenn sie rechtzeitig bemerkt werden», erklärt Medici. «Danach fehlen sie unwiderruflich.» 

Viele AHV-Pflichtige seien sich der Problematik gar nicht bewusst. Um den individuellen Kontoauszug über die geleisteten Beiträge kontrollieren zu können, muss man diesen nämlich selber aktiv bei den Ausgleichskassen einfordern. Medici hält dieses Verfahren für nicht mehr zeitgemäss. «Angesichts der verschärften Problematik braucht es ein Umdenken. Die AHV muss so funktionieren, dass Beitragslücken möglichst vermieden werden.»

Gewerkschaftsbund fordert Verbesserungen

Der Gewerkschaftsbund hat daher drei zentrale Forderungen:

  • Jährlicher AHV-Ausweis: Die Versicherten sollen künftig automatisch einen jährlichen AHV-Ausweis erhalten, der die einbezahlten Beiträge, die Beitragsjahre, Erziehungsgutschriften, usw. aufzeigt und auf drohende Beitragslücken hinweist. «Bei den Pensionskassen gibt es jährlich einen Auszug, das muss mit der Digitalisierung auch bei der AHV möglich sein», sagt Medici.
  • Kostenlose Beratung: Die AHV-Ausgleichskassen oder eine zentrale Bundesstelle sollen ein kostenloses Beratungsangebot für Arbeitnehmende aufbauen. Medici: «Damit sollen sie die möglichen Konsequenzen auf ihre Rente frühzeitig erkennen können.»
  • Nachzahlung: Für die AHV sollen bessere Nachzahlungsmöglichkeiten geschaffen werden – zumindest für unverschuldete Beitragslücken. «Bei den Pensionskassen und in der dritten Säule wurden die Einkaufsmöglichkeiten deutlich ausgebaut», sagt Medici. «Ausgerechnet in der AHV als wichtigste Säule ist diese Möglichkeit eingeschränkt.»

Die Gewerkschaftsforderungen dürften bei anstehenden Projekten ins Spiel gebracht werden. So arbeitet der Bund derzeit an einer Internetplattform, welche den Informationszugang zum individuellen AHV-Konto vereinfachen soll. Und noch dieses Jahr will Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider (61) die Eckwerte für die nächste grosse AHV-Reform vorlegen. 

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