Der Bund bereitet sich auf die nächste Impfkampagne vor. Vorerst bis Ende 2023 läuft die Impfstoffbeschaffung über den Bund. Diskutiert wird auch eine Herbstimpfung für das kommende Jahr. Dabei stelle sich allerdings die Frage, ob diese «bereits in den üblichen Strukturen» gemacht werde, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in einem Austausch mit den Kantonsärzten vom November festhält.
Genau festlegen will sich das BAG aber noch nicht, wie es auf Nachfrage mitteilt: «Da sich die epidemiologische Lage weiterhin dynamisch entwickeln kann, ist es zu früh für konkrete Aussagen zum Herbst 2023», sagt Sprecher Simon Ming. «Grundsätzlich sind unterschiedliche Szenarien denkbar.»
Übergang in Normalbetrieb
Hinter den Kulissen wird der Übergang in den Normalbetrieb vorbereitet. Dann sollen nicht mehr kantonale Zentren für den Corona-Piks oder Nasenabstrich zuständig sein, sondern die Regelstrukturen – also Arztpraxen und Apotheken – ausreichen. «Das BAG ist dabei, den begleiteten Übergang zusammen mit den Kantonen vorzubereiten», heisst es in einem Sitzungsprotokoll vom November, das Blick vorliegt. Eine Strategie dazu soll allenfalls im März vorliegen.
Allerdings könnte der Übergang rascher stattfinden als gedacht. So warf einer der Kantonsärzte ein, dass «bei der aktuellen Entwicklung bald keine kantonalen Strukturen mehr benötigt werden». Will heissen: Die Impfbereitschaft lässt massiv nach.
Das zeigen auch die neusten Zahlen des Bundes. Die Booster-Quote bleibt gerade bei der älteren Bevölkerung tief. Nur wenig mehr als ein Drittel der Seniorinnen und Senioren hat sich in den letzten sechs Monaten impfen lassen. Selbst bei den über 80-Jährigen hat sich knapp weniger als die Hälfte den vierten Piks geholt.
Kantone sollen Impf-Nachfrage fördern
Die fehlende Nachfrage macht dem Bund Sorgen, deshalb macht er bei den Kantonen Druck. «Die Kantonsärzte werden gebeten, in die Nachfrageförderung zu investieren», ruft das BAG in einer weiteren Telefonkonferenz zum Handeln auf. Es verweist dabei auf die «grossen kantonalen Unterschiede»: Geht es in Basel, Bern oder Schaffhausen etwas rascher voran, hinken Appenzell Innerrhoden, Obwalden oder Jura deutlich hinterher.
Das Amt hat Vorstellungen, wie die Nachfrage gefördert werden könnte: «Um Durchimpfung unter den besonders gefährdeten Personen zu erhöhen, können die Kantone Aktivitäten unternehmen, welche den Zugang zur Impfung niederschwelliger gestalten oder auf die Impfempfehlung für diese Zielgruppe hinweisen», erklärt BAG-Sprecher Simon Ming.
Dazu gehörten unter anderem Informationskampagnen, Briefversände, mobile Beratungs- und Impfangebote oder Impfstellen, in denen die Impfung ohne Anmeldung möglich sei. Die Umsetzung der Impfempfehlungen obliege aber den Kantonen, betont er.
Kantone fahren Angebote zurück
«Für die zweite Auffrischimpfung hätten wir mehr Impfwillige erwartet», sagt auch der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri (62) zu Blick. «Gerade von den Risikogruppen haben sich weniger den Booster geholt als gedacht.» Gründe dafür gebe es viele. Manche hätten die Erkrankung kürzlich durchgemacht, andere wollten die weitere Entwicklung abwarten. «Und manche fürchten sich vor Nebenwirkungen», so Hauri. «Deshalb nehmen sie lieber eine Infektion in Kauf und hoffen auf einen milden Verlauf.»
Auch wenn die Kantone den Booster-Nutzen bei Risikogruppen als erwiesen erachten, wird es keine gezielte Nachfrageankurbelung mehr geben. «Die Leute wissen, dass sie sich impfen lassen können», meint Hauri. «Da braucht es keine eigentliche Kampagne mehr.»
Die Tendenz geht vielmehr in die andere Richtung. «In verschiedenen Kantonen werden die Angebote zurückgefahren», so Hauri. 2023 dürften die kantonalen Strukturen weitgehend abgebaut werden. «Schätzungsweise im Frühling dürften die meisten Kantone ihre Zentren weitgehend geschlossen haben.»
So hat etwa der Kanton Solothurn gerade beschlossen, die kantonalen Impfzentren vorerst nur bis Ende März 2023 weiterbetreiben zu lassen. Danach soll der Impfbetrieb «mit den entsprechenden Bundesregelungen in die Institutionen des Gesundheitswesens (Spitäler, Arztpraxen und Apotheken) überführt werden», schreibt er in einer Mitteilung.
Weiterer Booster im Herbst?
Hauri blickt trotzdem schon auf den nächsten Herbst. «Grundsätzlich sollte ein weiterer Booster dannzumal über die Regelstrukturen möglich sein», so der Zuger. Ob es allerdings eine weitere Auffrischimpfung tatsächlich brauche, hänge vom weiteren Verlauf der Pandemie und den Empfehlungen der Impfkommission ab. «Es wird weitere Virusmutationen geben», so Hauri. «Bleiben die Auswirkungen aber wie heute in überschaubarem Rahmen, wird es keine breite Impfkampagne mehr brauchen.»
Was die aktuelle Corona-Entwicklung betrifft, gehen die bestätigten Neuansteckungen seit Wochen langsam zurück. «Das Abwassermonitoring zeigt aber, dass es wieder einen Anstieg geben könnte», so Hauri.
Er glaubt aber nicht, dass Corona den Weihnachts-Freudigen wieder einen Strich durch die Rechnung macht. «Dieses Jahr kann wieder ganz normal gefeiert werden», so Hauri. «Und wenn nicht, dann liegt dies diesmal eher an der Grippe und anderen Erkältungskrankheiten als an Corona.»