Tempo 30 bremst Feuerwehr aus
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Einsatzkräfte länger unterwegs:Tempo 30 bremst Feuerwehr aus

Freiwillige Einsatzkräfte sind länger unterwegs
Tempo 30 bremst Feuerwehr aus

Um Lärm und Unfälle zu vermeiden, setzen Städte vermehrt auf flächendeckendes Tempo 30. Doch das hat auch negative Auswirkungen – namentlich auf die Milizfeuerwehr.
Publiziert: 26.07.2021 um 08:58 Uhr
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Aktualisiert: 26.07.2021 um 09:07 Uhr
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Die vergangenen Unwetter und Hochwasser wie hier in Luzern führten vielen Menschen vor Augen, wie wichtig die Feuerwehr – insbesondere auch die Milizeinsatzkräfte – ist.
Foto: keystone-sda.ch
Lea Hartmann

Zehn Minuten nach dem Alarm vor Ort sein – aber bitte nur mit Tempo 30: Die Ausbreitung verkehrsberuhigter Strassen bremst nicht nur Autofahrerinnen und Autofahrer, sondern auch jene, für die wirklich jede Minute zählt: die Feuerwehren.

Anfang Juli setze sich die Winterthurer Regierung das Ziel, die Stadt bis in 20 Jahren praktisch flächendeckend in eine 30er-Zone zu verwandeln. Kurz darauf zog Zürich nach. Bis 2030 soll der Verkehr auf einem Grossteil der Strassen, auch auf viel befahrenen Hauptstrassen, nur noch mit 30 km/h rollen. Auch in anderen Städten und Gemeinden werden die 30er-Zonen immer zahlreicher.

«Nachts macht es einen Unterschied»

Die Tempo-30-Zonen in den Städten seien für die Einsatzkräfte ein Problem, sagt Stephan Gerber (42), Präsident des Berner Feuerwehrverbands. Roland Gfeller (53), Kommandant der Feuerwehr Thun, bezeichnet die Verkehrssituation und die Entwicklung des Verkehrs in urbanen Gebieten gar als «eine der grössten Herausforderungen für die Milizfeuerwehr». Die Berner Gemeinde ist die grösste Stadt in der Schweiz ganz ohne Berufsfeuerwehr.

«Es ist schon vorgekommen, dass Milizfeuerwehrleute Mühe hatten, genügend rasch zum Magazin zu kommen», erzählt Gerber. Im Gegensatz zur Berufsfeuerwehr müssen die freiwilligen Feuerwehrleute zuerst zum Depot fahren, bevor ausgerückt werden kann. Dabei müssen sie sich ans vorgeschriebene Tempolimit halten – Notfalleinsatz hin oder her. Wer schneller fährt und geblitzt wird, trägt selbst die Konsequenzen.

«Tagsüber ist Tempo 30 für uns nicht so relevant, in der Innenstadt kommt man sowieso nicht schneller vorwärts», sagt der Luzerner Feuerwehrkommandant Theo Honermann (60). Nachts mache es aber schon einen Unterschied. Sein Berufskollege Philipp Stierli (41), Kommandant in Olten SO und Präsident des Solothurner Feurwehrverbands, sagt, dass insbesondere Tempo 30 auf Hauptstrassen für die Feuerwehr negative Auswirkungen habe. «Je länger das Einrücken dauert, umso weniger Zeit bleibt uns fürs Umziehen und die Einsatzfahrt – und desto schwieriger ist es, die Hilfsfrist einzuhalten.»

98 Prozent arbeiten nebenamtlich

Die Milizfeuerwehren machen in der Schweiz die grosse Mehrheit aus. 98 Prozent der gut 82'000 Feuerwehrmänner und -frauen im Land löschen nebenamtlich Feuer und rücken bei Hochwasserkatastrophen aus. Gerade bei Extremereignissen wie den Unwettern in den vergangenen Wochen sind die freiwilligen Feuerwehrleute enorm wichtig.

Aber auch für die Berufsfeuerwehren in den Städten sind die immer grösser werdenden 30er-Zonen eine Herausforderung. «Die Berufsfeuerwehr hat das Problem, dass es teilweise schwierig ist, mit den grossen Einsatzfahrzeugen durch die Tempo-30-Zonen zu kommen», sagt der Berner Feuerwehrverbands-Präsident Gerber.

Kein Hindernis auf den Haupteinsatzachsen

Die Feuerwehren stemmen sich deswegen aber nicht gegen Tempo 30. Vielmehr versuchen sie, sich damit zu arrangieren. Statistiken, wie stark Tempo 30 die Feuerwehr ausbremst, gibt es nicht. Grund dafür ist, dass auch andere Faktoren – wie Verkehrsaufkommen und Baustellen – die Reaktionszeit beeinflussen.

Honermann, Kommandant in Luzern, relativiert, dass für die Feuerwehrleute im Einsatzfahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht der entscheidende Faktor sei. Viel mehr Zeit spare, dass man mit der nötigen Vorsicht bei roten Ampeln durchfahren könne. «Wichtig ist aber, dass uns auf unseren Haupteinsatzachsen keine verkehrsberuhigende Massnahmen eingeführt werden, die uns an der schnellen Durchfahrt hindern.»

Die Städte sind sich der Herausforderungen bewusst, die 30er-Zonen für die Blaulichtorganisationen darstellen. Dies habe man «voll auf dem Radar», teilt beispielsweise das Stadtzürcher Sicherheitsdepartement mit. Die neue Standortstrategie mit dezentralen Wachen entschärfe zudem das Problem.

Professionalisierung beschleunige sich

Auch in anderen Regionen setzt man auf Dezentralisierung. Die Berner Feuerwehr – wie Zürich eine Mischung aus Berufs- und Milizfeuerwehr – hat im vergangenen Jahr einen zweiten Stützpunkt eröffnet, um den Osten Berns schneller erreichen zu können. Laut dem Feuerwehrverbandspräsidenten Gerber ist zudem geplant, das Milizmagazin zu verlegen, weil die verkehrsberuhigten Wohnstrassen darum herum zunehmen. Die Stadt streitet dies ab.

Für reine Milizfeuerwehren, wie sie im Kanton Solothurn im Einsatz sind, sei die Schaffung neuer Magazine aber wohl häufig keine Option, glaubt der Oltner Feuerwehrkommandant Stierli. Mehrere Standorte in einer Gemeinde rentieren sich schlichtweg nicht. Er ist überzeugt: «Der Tempo-30-Trend wird den Wandel vom Miliz- hin zum halbprofessionellen System zusätzlich beschleunigen.»

Politik will Blaulicht-Raser vor Strafe schützen

Ein Blaulicht auf dem Dach ist kein Freifahrschein zum Rasen. Schon mehrfach sind Polizisten zu happigen Geldbussen oder gar bedingten Haftstrafen verurteilt worden, weil sie bei einem Einsatz viel zu schnell unterwegs waren.

Die Schaffung von immer mehr Tempo-30-Zonen könnte das Problem verschärfen. Dem will die Politik aber zuvorkommen. Im Parlament ist ein Vorstoss von SP-Nationalrat Matthias Aebischer (53) hängig, der geringere Strafen für Blaulichtfahrer verlangt. Der Bundesrat unterstützt die Forderung.

Heute ist es so, dass Feuerwehrleute und Polizisten bei Notfalleinsätzen zwar Tempolimits überschreiten dürfen, sie müssen allerdings die nötige Vorsicht walten lassen. Das klingt an sich vernünftig. Zum Problem wurde den Einsatzkräften die Verschärfung des Rasergesetzes 2013. Wer in einer 30er-Zone 70 km/h fährt, wird zu mindestens einem Jahr Gefängnis verurteilt. Spielraum gibt es kaum. Hier will die Politik nun – zur Erleichterung der Einsatzkräfte – nachbessern.

Ein Blaulicht auf dem Dach ist kein Freifahrschein zum Rasen. Schon mehrfach sind Polizisten zu happigen Geldbussen oder gar bedingten Haftstrafen verurteilt worden, weil sie bei einem Einsatz viel zu schnell unterwegs waren.

Die Schaffung von immer mehr Tempo-30-Zonen könnte das Problem verschärfen. Dem will die Politik aber zuvorkommen. Im Parlament ist ein Vorstoss von SP-Nationalrat Matthias Aebischer (53) hängig, der geringere Strafen für Blaulichtfahrer verlangt. Der Bundesrat unterstützt die Forderung.

Heute ist es so, dass Feuerwehrleute und Polizisten bei Notfalleinsätzen zwar Tempolimits überschreiten dürfen, sie müssen allerdings die nötige Vorsicht walten lassen. Das klingt an sich vernünftig. Zum Problem wurde den Einsatzkräften die Verschärfung des Rasergesetzes 2013. Wer in einer 30er-Zone 70 km/h fährt, wird zu mindestens einem Jahr Gefängnis verurteilt. Spielraum gibt es kaum. Hier will die Politik nun – zur Erleichterung der Einsatzkräfte – nachbessern.


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