Die Stadt Zürich macht beim Lärmschutz vorwärts – und die Lastwagen- und Autofahrerinnen und -fahrer müssen dafür bremsen. Bis 2030 soll in weiten Teilen der grössten Schweizer Stadt Tempo 30 gelten. Das hat die links-grün dominierte Stadtregierung am Mittwoch beschlossen.
Schon sind viele Zürcher Quartiere verkehrsberuhigt. Noch immer sind laut der Stadt aber über 100'000 Zürcherinnen und Zürcher übermässigem Verkehrslärm ausgesetzt. Kanton und Stadt sind verpflichtet, Massnahmen dagegen zu ergreifen.
Auch Busse dürfen nicht schneller fahren
In einem ersten Schritt soll auf Strassen das Tempo gedrosselt werden, die kaum vom öffentlichen Verkehr befahren sind. In einem zweiten Schritt wird aber auch dort Tempo 30 eingeführt – und auch Busse und Trams müssen ihr Tempo anpassen.
Für ÖV-Benutzerinnen und -Benutzer heisst das, dass sich die Fahrzeit auch für sie verlängern wird. Wo immer möglich will die Stadt aber Gegenmassnahmen treffen, damit sie nicht zu viel Zeit verlieren. Zum Beispiel mit der Optimierung von Lichtsignalanlagen oder eigenen Trassees. Nur auf Strassen, an denen keine Anwohnerinnen und Anwohner von übermässigem Strassenlärm betroffen sind, soll laut dem Stadtrat weiterhin Tempo 50 gelten.
Millionenkosten für den ÖV
Die Zürcher Verkehrsbetriebe (VBZ) kommt die Tempodrosselung teuer zu stehen. Die VBZ ging bislang von Betriebs-Mehrkosten in der Höhe von 20 Millionen Franken pro Jahr aus, sollte Tempo 30 flächendeckend eingeführt werden. Denn wenn die Busse und Trams langsamer unterwegs sind, braucht es zum Ausgleich mehr Fahrzeuge und mehr Personal. Wer die Mehrkosten am Schluss übernimmt, ist noch unklar. Bis die Grundsatzfrage geklärt ist, öffnet die Stadt vorerst ihr Portemonnaie. Man erhofft sich aber, dass auch der Kanton einen Teil übernimmt.
Der für die Verkehrsbetriebe zuständige Stadtrat Michael Baumer (46, FDP) verhehlt seine Bedenken gegenüber dem Entscheid nicht. «Der Entscheid ist eine Herausforderung für den ÖV», sagt er diplomatisch. Aus seiner Sicht ist zentral, dass sich die Reisezeit für die ÖV-Benutzerinnen und -Benutzer nicht erheblich verlängert. «Sonst leidet die Attraktivität des ÖV und auch die Wirtschaftlichkeit», sagt er.
«Müssen schauen, was überhaupt noch machbar ist»
Baumer zweifelt allerdings, dass es überall möglich ist, mit Gegenmassnahmen der ÖV-Verlangsamung gegenzusteuern. «Die Stadt hat in den letzten Jahren schon viel gemacht. Wir müssen schauen, was zusätzlich überhaupt noch machbar ist.» Kurzum: Baumer befürchtet, dass die Zürcher Steuerzahlerinnen und Steuerzahler am Schluss dafür zahlen müssen, dass sie langsamer von A nach B kommen.
Auch der Automobil-Club (ACS) ist – wenig überraschend – gar nicht glücklich. Autofahrer seien in Zürich überhaupt nicht mehr erwünscht, moniert er. Zudem sei es der Verkehrssicherheit nicht zuträglich, wenn Velofahrer schneller unterwegs sind als Autos. Aus Sicht des Verkehrsclubs Schweiz (VCS) hingegen wars allerhöchste Zeit, dass der Stadtrat den Tempo-30-Entscheid fällt. Es habe viel zu lange gedauert.
Auch die Stadt Winterthur – die zweitgrösste Stadt im Kanton Zürich – hat jüngst beschlossen, praktisch flächendeckend 30er-Zonen einzuführen. In Wohnquartieren soll sogar nur noch Tempo 20 gelten.