Kaum Chancen bei ungerechtfertigter Busse
Vor der Polizei sind Autofahrer machtlos

Trotz angelegtem Sicherheitsgurt kassiert Blick-Autoredaktor Andreas Engel von der Stadtpolizei Zürich eine Busse in Höhe von 60 Franken wegen Nichttragen des Gurts. Die Chancen, sich dagegen zu wehren? Verschwindend klein.
Publiziert: 17.07.2021 um 11:00 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2021 um 11:19 Uhr
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Mitte Juni wird Blick-Autoredaktor Andreas Engel von der Stadtpolizei Zürich angehalten. Der Grund: Er habe während der Fahrt keinen Sicherheitsgurt getragen.
Foto: Picture-Alliance/AFP
Andreas Engel

Die folgende Szene trägt sich nicht in irgendeiner Bananenrepublik zu, sondern in der Schweiz, mitten in Zürich. Mitte Juni hole ich – Blick-Autoredaktor Andreas Engel (36) – einen Testwagen, den Taycan, bei Porsche Schweiz in Rotkreuz ZG ab und fahre ins Zürcher Homeoffice. Beim Höngger Meierhofplatz wird «mein» sehr auffällig rosafarbener Taycan von der Polizei gestoppt.

Nach Kontrolle der Papiere teilen mir die Polizisten den Grund dieses Anhaltens mit: Ich sei ohne Sicherheitsgurt gefahren. Zwei Kollegen in Zivil hätten an der Ecke Regensdorfer- und Limmattalstrasse beobachtet, wie ich unangegurtet um die Ecke gebogen sei. Daher jetzt rund 200 Meter weiter dieser Zwangsstopp.

Ohne Gurt fast unmöglich

Ich falle aus allen Wolken! Mal abgesehen davon, dass ich den Gurt jetzt beim Anhalten trage: Selbstredend hatte ich den Gurt vorher an. Ich habe in meinem Job als Autoredaktor etliche Crashtests gesehen, weiss über passive Sicherheit Bescheid und die enormen Kräfte bereits bei Tempo 50. Ich rangiere nicht mal unangeschnallt. Wer sich bei mir nicht anschnallt, fährt auch nicht mit – Punkt.

Und jetzt das – zumal moderne Autos wie der Taycan sofort sehr aufdringlich Alarm bimmeln, falls man sich nicht angurtet. All das lassen die Polizisten nicht gelten. Sensoren liessen sich überlisten, und ich hätte mich nachträglich noch anschnallen können. Wie denn, wo ich die Polizisten in Zivil nicht bemerkt und die Kontrolle erst im letzten Moment gesehen hatte? Keine Chance, man drückt mir den Bussenzettel in die Hand:
60 Franken Busse, zahlbar innert 30 Tagen.

Porsche kaum einzusehen

Ich sitze da, wie stets brav angeschnallt seit dem Start – und fühle mich völlig machtlos. Ich habe mich korrekt verhalten und soll dafür bezahlen. Ich rätsle: Ich war sogar mit offenem Fenster unterwegs im hellgrünen
T-Shirt, bei dem man den Kontrast zum schwarzen Gurt bestens sehen müsste. Liegt es daran, dass ich 1,86 Meter gross bin und deshalb sehr tief und weit hinten sitze, sodass meine Schulter samt Gurtband hinter der Fenstersäule verschwindet?

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Einsprache käme teurer

Falls ich nicht einverstanden sei, solle ich gegen die Busse Einsprache beim Stadtrichteramt erheben, geben die beiden Zürcher Stadtpolizisten mit auf den Weg. Ich informiere mich umgehend: Als beschuldigte Person habe ich laut Webpage der Stadt zehn Tage Zeit, schriftlich Einsprache zu erheben, falls ich mit dem «zur Last gelegten Übertretungstatbestand» nicht einverstanden sei.

Danach führe das Stadtrichteramt eine Voruntersuchung durch, bei der die gebüsste Person befragt werde, ebenso weitere Zeugen wie die beiden an der Ecke positionierten Polizisten, bevor der Entscheid, also quasi das Urteil, dem Beschuldigten wiederum schriftlich mitgeteilt werde. Die Crux daran: In allen Verfahren bestehe «ein Kostenrisiko beim Unterliegen». Heisst: Kommt meine Einsprache nicht durch, trage ich die Kosten. Die sind schon im günstigsten Fall weit teurer als die Busse. Wollte ich dann weiter auf mein Recht pochen, müsste ich den Fall weiterziehen – erneut mit vollem Kostenrisiko für mich.

Lohnt sich bei einer Bagatelle eine Einsprache? Hätte ich Chancen? Am Telefon heisst es vonseiten des Stadtrichteramts: «Konkret können wir zu den Chancen nichts sagen. Aber die Gefahr, dass es teurer wird, ist da.» Durch die Blume gesprochen: Besser direkt 60 Franken zahlen und die Sache gut sein lassen.

Am Ende gebe ich auf

Ich ärgere mich – und wie! Nicht wegen der 60 Franken, sondern weil meine Aussage offenbar nichts gilt gegenüber jener der Polizei – selbst wenn jene falschliegt. Ich starte einen Versuch bei meiner Rechtsschutzversicherung. Soll ich den Fall weiterziehen? Man rät mir, in den sauren Apfel zu beissen. «Solche Verfahren sind aufwendig und kaum zu gewinnen. In der Regel haben Polizisten eine erhöhte Aussagekraft, weshalb es sich aus unserer Sicht nicht lohnt, dagegen vorzugehen», heisst es dort. Konsterniert gebe ich auf. Also bezahlen.

Beweisen kann ich meine Unschuld nicht. Aber ich bin schockiert, wie machtlos man ist. Die Busse habe ich inzwischen bezahlt und verschmerzt. Aber der schale Nachgeschmack, unschuldig bestraft worden zu sein, wird noch lange bleiben.

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