Grenzwert laut BAG-Studie zu tief
Beim dritten Joint ist der Führerausweis weg

Mit Cannabis verliert man den Führerausweis weit schneller als mit Alkohol – und muss nicht gefahren sein. Mit Pech droht das selbst bei legalem CBD-Hanf. Eine Studie des Bundesamts für Gesundheit sagt: Der Grenzwert ist gegenüber Alkohol zu tief.
Publiziert: 19.05.2022 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 16.05.2022 um 09:22 Uhr
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Wie Alkohol hat Cannabis nichts im Verkehr verloren. Bei legalem Alkohol aber sind 0,5 Promille toleriert. Bei illegalem Cannabis ...
Foto: Keystone
Timothy Pfannkuchen

Längst ist es Alltag, dass sich Menschen nach Feierabend einen Joint statt eines Biers genehmigen. Cannabis ist die nach Alkohol meistverbreitete Droge. Ein Drittel aller Schweizer hat laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) Cannabis schon mal probiert, acht Prozent konsumierten im vorausgegangenen Jahr, vier Prozent im Monat zuvor.

Bei Alkohol am Steuer gilt Toleranz: Feierabendbier ja, Saufen nein. Bei 0,1 bis 0,3 Promille beginnen Ausfallerscheinungen, die Promillegrenze liegt bei 0,5 (für Junglenker, Berufschauffeure, Fahrlehrer, Lernfahrer und Begleiter faktisch 0,1). Darunter droht meist nichts. Nur hohe Werte (ab 1,6) bedeuten, dass man zum Fahrfähigkeits-Check antraben muss.

Nulltoleranz bei Cannabis

Bei Cannabis gilt – da eine illegale Droge – Nulltoleranz: 1,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut (ng/mL) ist nahe der Nachweisgrenze. Nur dass man den Wirkstoff THC länger nachweisen kann. Wäre ein Bier ein Joint, wäre es so: Es ist geduldet, ein Sixpack zu besitzen. Trinken darf man es nicht. Ein Bier und fahren – Ausweis weg, eventuell über einen Tag später. Trinkt man viel legales «alkoholfreies» Bier (CBD-Hanf), kann das auch passieren. Unter dem Grenzwert: Busse wegen des Biertrinkens. Darüber: Entzug und Strafe sowie Fahrfähigkeits-Gutachten und spätere Urinproben. Begutachten lassen muss man sich auch, wenn man nicht gefahren ist und ab drei Bier pro Woche trinkt oder einen Kasten Bier besitzt.

Das Problem: Für Alkohol existieren Werte, wann man wie stark beeinträchtigt ist. Die Promille kann man abschätzen, den Alkohol-Abbau auch. Bei THC ist das viel individueller. Der Gehalt steht nicht auf dem Joint, THC wirkt physiologisch ganz anders, Sport oder Diät können THC noch viel später in Urinproben spülen. Wegen alldem widersprechen sich die Quellen: Wer ab und zu einen Joint raucht, muss mindestens sechs, lieber 12 bis 24 Stunden mit Fahren warten. Wer oft konsumiert, kann nach über einer Woche Abstinenz über dem Wert liegen, der eher wenig mit eingeschränkter Fahrfähigkeit und viel mit Politik zu tun hat.

Bezahlen muss man immer

Am Steuer ist bei Überschreiten des Grenzwerts für mindestens drei Monate das Billett weg. Die Kosten sind stark variabel. Oft bewegen sich diese um die 1000 Franken plus bedingte Busse (Tagessätze), mit Gebühren zahlt man meist 2000 bis 3000 Franken. Hinzu kommt die Busse für Konsum (mit Gebühren meist ein paar Hundert Franken), Fahrfähigkeits-Check (1000–3000 Fr.) und ein halbes bis zwei Jahre Urinproben.

Ein Beispiel aus Winterthur ZH für einen Bluttest unter dem Grenzwert: Zwar kein Entzug, aber zu den 500 Franken für illegalen Konsum kommen 1950 Franken für den entlastenden Bluttest, da der Fahrer ihn durch den Konsum veranlasst habe. Ein Beispiel aus Zürich: Eine völlig drogenfreie Autofahrerin verliert fünf Wochen den Ausweis, weil ihre Pupillen nicht deutlich genug auf Licht reagiert hätten.

Ab Joint drei ist man dran

Als Behörden-Leitschnur gilt die Schweizerische Gesellschaft für Rechtsmedizin: zwei Joints pro Woche Gelegenheits-, ab dem dritten Gewohnheitskonsument. Gibt man etwa bei einer Personenkontrolle «mehrere» an, kommt Post in Sachen Führerausweis. Lügen? Lieber nicht: Versucht man tiefzustapeln, trägt aber weit mehr Cannabis auf sich, könnte ein Verfahren wegen Drogendealens folgen.

Ein Beispiel aus Zürich laut «Beobachter»: Die Polizei konfisziert zu Hause fünf Hanfpflanzen und fünf Gramm Marihuana. Ausser der Rechnung für Drogenbesitz – je 200 Franken Busse und Gebühren – kommt der Entzug des Ausweises durch das Strassenverkehrsamt. Ein Beispiel aus Baselland: Ein Mann muss zu der verkehrspsychologischen Prüfung, weil er ein Paket mit Hanfsamen geordert hat.

BAG relativiert Grenzwert

Ganz klar ist: Drogen haben im Verkehr nichts zu suchen. Beim legalen Alkohol wird es aber in Massen geduldet, beim illegalen Cannabis nicht. Gerechtfertigt? Eine politische Frage. Wegen der vom Bundesrat verabschiedeten Versuche zur legalen Abgabe trägt das BAG eine Studie zur wieder erstarkten Diskussion bei.

Die von der Uni Basel für das BAG erstellte Studie kommt anhand vieler anderer Untersuchungen zum Fazit: 0,5 Promille entsprechen nicht 1,5, sondern 3,0 bis 4,1 ng/mL THC. Die Studie hält gar drei mögliche Szenarien für die Zukunft fest: Anhebung des Grenzwerts (3,0), Stufensystem wie bei Alkohol (z.B. 1,5 Entzug, 3,0 Fahrfähigkeits-Checks) – oder eben weiter Nulltoleranz. Zu letzterer heisst es: «Zur Garantie der Verkehrssicherheit wird in Kauf genommen, dass Leute bestraft werden, deren Fahrfähigkeit möglicherweise nicht beeinträchtigt ist.»

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