Darum gehts
- Steuereinsprachen werden von gleichen Beamten geprüft, die die Veranlagung vornahmen
- Berner Regierung verteidigt Praxis als effizient, Kritiker warnen vor Willkür
- Andere Kantone trennen Einspracheprüfung klar von Veranlagung
Du bist unzufrieden mit deiner Steuerveranlagung? Oder hast einen teuren Fehler entdeckt? Wenn du Einsprache erhebt, könntest du mancherorts eine Überraschung erleben. Zum Beispiel im Kanton Bern: Hier prüft oft derselbe Beamte die Einsprache, der zuvor bereits die Veranlagung vorgenommen hat. Er ist also, überspitzt gesagt, Richter in eigener Sache – und urteilt darüber, ob sein Entscheid korrekt war.
Der Berner Regierungsrat bestätigt diese bisher kaum beachtete Praxis: «Die Überprüfung wird durch die gleichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchgeführt, die auch für das Veranlagungsverfahren zuständig waren», schreibt er in seiner Stellungnahme zu einem Vorstoss von Carlos Reinhard (52). Der Unternehmer ist FDP-Fraktionschef im Kantonsparlament.
Er habe ein ungutes Gefühl bei dieser Praxis, sagt er zu Blick: «Das lässt Zweifel an der Unabhängigkeit und Objektivität solcher Verfahren aufkommen.» Mehrere Unternehmer hätten ihm davon berichtet. So etwas öffne Tür und Tor für Willkür, warnt Reinhard. «Es ist schwierig, unvoreingenommen über eine Einsprache gegen den eigenen Entscheid zu urteilen oder sogar einen Fehler einzugestehen.»
Noch kein juristisches Verfahren
Die Berner Regierung verteidigt die Praxis. Die Überprüfung durch denselben Angestellten sei effizient, da dieser den Fall am besten kenne. Zudem werde das Verfahren durch das Vier-Augen-Prinzip abgesichert – ein Vorgesetzter müsse das Ergebnis absegnen.
Von einer Verletzung der Gewaltenteilung will der Regierungsrat nichts wissen. Die Einsprache sei ein «verwaltungsinternes Rechtsmittel». Es sei üblich, dass die veranlagende Behörde – also das Steueramt – eine Einsprache selbst beurteile. Erst eine Beschwerde bei der Steuerrekurskommission führe zu einer unabhängigen Prüfung durch eine richterliche Instanz.
Ein Einzelfall ist Bern nicht. Es ist besonders in kleineren Kantonen wie etwa Glarus oder Obwalden üblich, dass Steuerbeamte, die eine Veranlagung vorgenommen haben, ebenfalls die Einsprache betreuen. Allerdings gibt es auch andere Modelle: Selbst wenn die gleiche Behörde sowohl für die Veranlagung als auch für die Einsprache zuständig ist, muss dies nicht von derselben Person vorgenommen werden.
«Vertrauen steht auf dem Spiel»
In vielen Kantonen sind spezialisierte Teams oder die Rechtsabteilung der Steuerverwaltung für das Einspracheverfahren zuständig. So haben beispielsweise die Kantone Zürich, Luzern und Aargau die Prüfung der Einsprachen von der Steuerveranlagung getrennt, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
Auf noch mehr Unparteilichkeit setzt der Kanton Schwyz. Einsprachen werden zunächst in einem Vorverfahren von der zuständigen Abteilung und deren Leitung geprüft. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet über die Einsprache eine Steuerkommission, die aus dem Chef der Steuerverwaltung und zwei externen Mitgliedern besteht. Erst danach müssen Gerichte eingeschaltet werden. Der Vorteil: Die Kommission verfügt laut den Schwyzer Behörden «im Vergleich zu einem üblichen Einspracheverfahren über eine erhöhte Unabhängigkeit».
Und in Bern? Für FDP-Fraktionschef Reinhard ist klar: «Es besteht Reformbedarf!» Er legt im Kantonsparlament mit einer überparteilichen Motion nach. Es müsse sichergestellt werden, dass Einsprachen unabhängig und fair behandelt würden. Dies wäre in der Steuerverwaltung mit geringem organisatorischen Aufwand umsetzbar, ist der FDP-Mann überzeugt. «Immerhin steht das Vertrauen in die Verwaltung auf dem Spiel.»