Am Mittwoch entscheidet der Bundesrat über die ersten Lockerungsschritte aus dem Lockdown. SP-Gesundheitsminister Alain Berset (48) schlägt eine vorsichtige, schrittweise Öffnung vor. Die nationalrätliche Gesundheitskommission hingegen macht Druck, spätestens am 22. März sollen Gastrounternehmen oder Kultur-, Sport- und Freizeitbetriebe praktisch wieder vollumfänglich öffnen dürfen. Nicht nur die SVP drängt auf die rasche Öffnung, auch die FDP-Gesundheitspolitiker haben den Anträgen zugestimmt.
Doch jetzt trifft die vorpreschenden Freisinnigen scharfe Kritik aus den eigenen Reihen. «Wenn SGK-N tatsächlich eine 3. Welle bewusst in Kauf nimmt, handelt sie verantwortungslos und verdient ihren Namen nicht», twittert der Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri (65).
Gegenüber BLICK erklärt er seinen Unmut.
BLICK: Herr Fluri, in Ihrem Tweet kritisieren Sie die Gesundheitskommission. Wieso der Ärger?
Kurt Fluri: Die Kommission schert sich nicht um die Gesundheit der Leute. Stattdessen soll die Wirtschaft vor der Gesundheit Vorrang erhalten – selbst bei einer dritten Welle. Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet die Gesundheitskommission solch verkehrte Prioritäten setzt. Damit wird sie ihrer Funktion nicht gerecht. Mit ihren Forderungen überholt sie sogar die Wirtschaftskommission.
Die FDP-Vertreter drücken ebenfalls aufs Gas. Sie stellen sich gegen Ihre Partei.
Das ist weder die Partei- noch die Fraktionsmeinung. Diese wird dann bei der Beratung des Covid-19-Gesetzes festgelegt. Ich werde meine Haltung dort einbringen.
Aber die Corona-Fallzahlen sinken doch.
Die Entwicklung bleibt dynamisch. Die Voraussagen der medizinischen Experten sind klar: Die mutierten Virusvarianten nehmen überhand, damit werden die Fallzahlen in den kommenden Wochen wieder ansteigen. Erst recht, wenn wir zu früh wieder lockern. Wir brauchen nun «gopferdeli» noch ein bisschen Geduld! Nur weil wir die Nase von Corona voll haben, dürfen wir jetzt nicht locker lassen, sonst waren die ganzen Anstrengungen umsonst. Wir sollten aus den Erfahrungen lernen.
Sie sprechen auf die zweite Welle an?
Genau. Da haben wir zu früh die Geduld verloren und wurden übermütig. Wir haben aus Freude und Nonchalance lange locker gelassen und sind damit in die zweite Welle geraten. Diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen. Wir müssen uns jetzt nochmals zusammenreissen und ein paar Wochen durchhalten.
Als Stadtpräsident von Solothurn und Städteverband-Präsident müssen Sie doch ein Interesse haben, dass Restaurants und Gewerbe bald wieder öffnen können.
Entscheidend ist das Gleichgewicht zwischen Gesundheit und Wirtschaft. Wir müssen längerfristig denken, damit wir uns in einem Monat nicht wieder Vorwürfe machen müssen. Das Dümmste wäre, wenn wir nun zu früh und zu stark lockern, in eine dritte Welle laufen und alles wieder schliessen müssen. Dann wird es noch teurer für die Wirtschaft. Wir müssen für die betroffenen Betriebe nun mehr Geld sprechen, aber das ist es mir wert.
Sehen Sie keine Alternativen?
Eine vollständige Öffnung der Beizen auch in den Innenräumen ist derzeit keine Option, aber allenfalls eine Öffnung in den Aussenbereichen. Hier sind auch die Städte gefragt, für Erleichterungen zu sorgen: Indem man den Beizern mehr öffentlichen Raum zum Rausstuhlen zur Verfügung stellt, damit mehr Abstand zwischen den Tischen gehalten werden kann. Und finanziell, indem man auf zusätzliche Gebühren verzichtet.