Noch gilt in der Schweiz die sogenannte erweiterte Zustimmungslösung. Für eine Organspende bedarf es einer aktiven Zustimmung zu Lebzeiten oder der Einwilligung der Angehörigen. Bei einem Ja am 15. Mai würde es einen Systemwechsel zur erweiterten Widerspruchslösung geben.
Mehr Organspenden, um mehr Leben zu retten – das ist das Ziel der Gesetzesänderung. Doch: Ganz so einfach ist es nicht. Das zeigen verschiedene Studien. Es müssen mehrere Faktoren stimmen.
Mehr Spenden, aber kein Zusammenhang
So kommt etwa ein Bericht des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zur «Prüfung von Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl verfügbarer Organe zu Transplantationszwecken in der Schweiz» zum Schluss, dass ein Wechsel von der Zustimmungslösung zur Widerspruchslösung «nicht ausschlaggebend» für einen Anstieg der Spenderaten ist.
«Die wissenschaftliche Literatur zeigt ein uneinheitliches Bild bezüglich der Wirkung dieser Massnahme», heisst es in dem Bericht. Zahlreiche weitere Studien kommen zum gleichen Schluss.
Steigen die Spendezahlen nach der Einführung der Widerspruchslösung an, kann es also nicht nur an dem geänderten Gesetz liegen.
Zusammenspiel von vielen Faktoren
Es braucht also noch andere Faktoren, damit die Spenderate merklich ansteigt. Im Bericht des BAG wird hier auf das Beispiel von Spanien verwiesen. Auch zehn Jahre nach der Einführung der Widerspruchslösung blieben die Raten dort tief – erst nachdem das Organspendenwesen neu aufgegleist wurde, konnte ein Anstieg verzeichnet werden.
Entscheidend ist die Information der Bevölkerung. Darauf deutet eine Studie der niederländischen Transplantationsstiftung hin, die noch nicht offiziell veröffentlicht ist, Blick aber bereits vorliegt. So wurde parallel zur dortigen Einführung einer Widerspruchslösung Kampagnen zur Aufklärung der Bevölkerung und des Gesundheitspersonals ins Leben gerufen sowie die Prozesse zur Organspende in den Spitälern vereinfacht. Und selbst dann habe die Einführung eines Systems mit Widerspruchslösung eine lange Zeit gebraucht, so die Schlussfolgerung der Studie.
Verbesserungen in beiden Systemen möglich
«Gesetzgebung ist nicht die einzige Antwort», zu diesem Schluss kommt auch eine noch nicht publizierte Studie des britischen National Health Service (NHS). Verbesserungen seien unter beiden Gesetzgebungen möglich. Doch die Widerspruchslösung kann durchaus ein Faktor sein.
In den verschiedenen Regionen Grossbritanniens ist die Organspende bis anhin nicht einheitlich geregelt, bis 2019 konnten aber mit nationalen Informationskampagnen überall die Spenderaten gesteigert werden. In Wales allerdings, wo bereits seit 2015 die Widerspruchslösung gilt, stieg die Rate dank dieser nochmals wesentlich stärker an als im Rest des Landes. Bis 2024 soll überall in Grossbritannien die Widerspruchslösung gelten.