Am 15. Mai stimmt die Schweiz über eine neue Regelung zur Organspende ab: die Widerspruchslösung. Wer nicht explizit Nein sagt zur Organspende, soll als möglicher Spender gelten. Die Befürworter erhoffen sich davon mehr Spender.
Nötig wäre es. Die Zahl der Organspenden in der Schweiz ist im Vergleich zum Ausland tief, und die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem. Vergangenes Jahr war mit 166 Spenden von verstorbenen Personen laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) ein Rekordjahr. Weitere 125 Menschen haben lebend ein Organ gespendet.
Auf eine Niere wartet man besonders lange
Gleichzeitig stehen aber über 1400 Menschen auf der Warteliste. Der Grossteil dieser Patientinnen und Patienten wartet auf dasselbe Organ: eine Niere. «Die Warteliste für eine Niere ist wahnsinnig lang», sagt Franz Immer (54), Direktor der Schweizer Stiftung für Organspende Swisstransplant. Das hänge einerseits damit zusammen, dass sehr viele verschiedene Erkrankungen die Niere angreifen oder ein Nierenversagen verursachen.
Andererseits sei die Dialyse – eine Maschine, die die Nierenfunktion ersetzen kann – mit ein Grund für die lange Liste. «Dank der Dialyse kann man die Patienten besser stabilisieren, während sie auf ein Organ warten.» Die Patienten leben so also schlicht lange genug, um auch noch eine Niere erhalten zu können. Die Wartezeit ist im Vergleich zu anderen Organen mit durchschnittlich rund drei Jahren auch am längsten.
Ein Jahr für ein Herz
Kürzer ist die Wartezeit bei anderen Organen wie Leber, Lunge oder Herz. Auf ein Herz wartet ein Patient oder eine Patientin im Median etwa ein Jahr, bei einer Lunge sind es unter Umständen nur wenige Monate.
Letztes Jahr erhielten rund 450 Personen ein Organ eingesetzt, über 70 Menschen warteten aber bis zum Schluss und verstarben, bevor ein Organ verfügbar wurde. Organe spenden können nur Personen, die im Spital einen Hirntod infolge Hirnschädigung oder einen Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden. Wenn jemand das ausserhalb eines Spitals erleidet, ist eine Spende nicht möglich.
Viele wären bereit – nur weiss das keiner
Umfragen zufolge ist die Bereitschaft in der Bevölkerung für die Organspende hoch, die Anzahl Spender aber notorisch tief. Denn sehr häufig ist schlicht nicht bekannt, ob der oder die Verstorbene mit einer Organentnahme einverstanden wäre. Heute dürfen Organe nur entnommen werden, wenn das vor dem Ableben auch explizit so festgehalten wurde oder wenn die Angehörigen das Einverständnis geben, falls nicht bekannt ist, was der Wunsch der verstorbenen Person wäre.
Mit dem Ziel, die Warteliste kürzer zu machen, hat das Parlament einen Paradigmenwechsel beschlossen. Wenn der Wille nicht bekannt ist, soll davon ausgegangen werden, dass die verstorbene Person einverstanden ist. Die Angehörigen haben aber ein Vetorecht. Ein überparteiliches Komitee hat dagegen das Referendum ergriffen, da es kritisiert, dass die neue Lösung der Pflicht zur Organspende sehr nahe komme. Das letzte Wort hat am 15. Mai das Volk.