Der Westen hat wegen des Angriffs auf die Ukraine eine Reihe von Massnahmen gegen Russland verhängt. Am Ende übernahm sogar die Schweiz diese Sanktionen – nach auffälligem Zögern.
Und der Druck auf Putin wächst: Die EU berät an einem Gipfeltreffen mit US-Präsident Joe Biden über weitere Verschärfungen, ein Importstopp für russisches Öl und Gas steht im Raum.
Nur: Wie denkt die Bevölkerung über diese harte Linie und mögliche Folgen? Eine repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts Gallup International gibt jetzt Antworten. Die Meinungsforscher haben der Bevölkerung in EU-Ländern den Puls gefühlt. Auch 1000 Schweizerinnen und Schweizer wurden befragt, die Resultate liegen SonntagsBlick exklusiv vor.
Die Befragten tragen die Sanktionen gegen Russland ohne Murren mit. Jeder Zweite im Land hält sie für angemessen. 34 Prozent würden sogar noch klarere Kante zeigen und die Sanktionen verschärfen.
In Deutschland befürworten 39 Prozent strengere Massnahmen – was insofern bemerkenswert ist, als sich gerade die Regierung in Berlin bis jetzt etwa gegen einen Importstopp für russisches Erdgas wehrt. Ein solcher Schritt hätte zweifellos Preiserhöhungen und Versorgungsengpässe zur Folge. Dessen ist sich auch die Eidgenossenschaft bewusst: Zwei von drei Schweizern halten die Energieversorgung des Landes für bedroht.
Die Versorgung mit russischen Rohstoffen lässt generell die Alarmglocken läuten. Ebenfalls zwei von drei Bürgerinnen und Bürgern befürchten, dass die Schweiz zu abhängig davon ist.
Rund die Hälfte des Erdgases hierzulande kommt aus Russland. Unsere Nachbarn im Norden jedoch sind weit stärker auf russisches Gas angewiesen. 93 Prozent der befragten Deutschen empfinden ihr Land als allzu abhängig von Moskau.
Eine Alternative wäre der Wechsel zu mehr erneuerbaren Energiequellen. Bei den Schweizer Befragten findet er eine nahezu sensationelle Zustimmung von 92 Prozent.
Die Demoskopen fragten allerdings nicht nach, in welcher Form, wann und zu welchem Preis dieser Wechsel geschehen soll. Im Juni 2021 sprach sich eine knappe Mehrheit gegen ein neues CO2-Gesetz aus, das höhere Preise für Brenn- und Treibstoffe zur Folge gehabt hätte.
Zwar trägt die Schweizer Bevölkerung die Sanktionen klar mit, 61 Prozent jedoch befürchten schädliche Folgen für die Schweizer Wirtschaft, drei von vier Befragten sehen infolge des Ukraine-Krieges Preiserhöhungen und verstärkte Inflation voraus.
Auch die militärische Bedrohung macht den Menschen in der Schweiz Angst. Drei von vier Befragten befürchten, dass der Einmarsch in die Ukraine einen Weltkrieg entfesseln und dass Russland sogar Atomwaffen einsetzen könnte.
Trotz Neutralität befürchtet sogar jede und jeder Zweite, dass die Eidgenossenschaft in einen militärischen Konflikt hineingezogen wird.
Seit Ausbruch des Krieges wird auch wieder über eine neue Eingreiftruppe diskutiert, also gemeinsame Streitkräfte der Europäischen Union.
Von dieser Idee halten 56 Prozent der befragten Schweizer nicht viel. Anders stellt sich das Meinungsbild in der EU selbst dar. Die befragten EU-Bürger sprechen sich mit 60 Prozent für eine solche EU-Armee aus.
Sehr kritisch hingegen äussern sie sich über die Ausrüstung und Einsatzfähigkeit ihres jeweils nationalen Militärs. Von den Deutschen etwa, jüngst von einem vernichtenden Bericht des Bundeswehr-Inspekteurs aufgerüttelt, der seiner Truppe weitgehende Kampfunfähigkeit attestierte, halten nur 22 Prozent die Streitkräfte für genügend ausgerüstet und leistungsfähig.
Die Schweizer hingegen zeigen sich überdurchschnittlich überzeugt von ihrer «besten Armee der Welt», wie sie Bundesrat Ueli Maurer einst nannte. Mehr als die Hälfte der Befragten, 58 Prozent, glaubt an deren militärische Stärke.
Ein Drittel der Schweizerinnen und Schweizer würde ausserdem einer Erhöhung des Verteidigungsbudgets zustimmen. Rund die Hälfte hält das helvetische Armeebudget im gegenwärtigen Umfang für ausreichend.
Der Ukraine-Krieg führte in Europa zur grössten Flüchtlingswelle seit dem Zweiten Weltkrieg. Aus der Ukraine in die Schweiz kamen innerhalb von vier Wochen gemäss offiziellen Angaben bislang 15'388 Menschen. Sie wurden von Herrn und Frau Schweizer solidarisch aufgenommen, während Politik und Behörden mit einem neu eingeführten Flüchtlingsstatus S die Bürokratie zu verringern suchen.
Die grosse Solidarität spiegelt sich auch in der Umfrage: Mehr als die Hälfte der Befragten, 53 Prozent, spricht sich noch immer dafür aus, so viele Geflüchtete aufzunehmen wie möglich – und so unbürokratisch wie möglich.