Auf einen Blick
- Pius Zängerle verliert Job und kritisiert Ex-Gesundheitsminister Berset sowie Gewerkschaften
- Zängerle lobt neue Gesundheitsministerin Baume-Schneider
- 2026 soll der neue Ärztetarif Tardoc eingeführt werden
Es sei «ein grosser Schock» gewesen, als Pius Zängerle (62) von seinem Karriereende erfuhr. Die drei grossen Versicherer CSS, Helsana und Sanitas verhandelten hinter dem Rücken des langjährigen Direktors des Krankenkassenverbands Curafutura zusammen mit Vertretern von Santésuisse über die Gründung eines neuen Verbands.
Seit Anfang Jahr sind die Schweizer Kassen im Verein Prio Swiss wieder vereint, und Zängerle seinen Job los. Zum Abschied teilt er aus – insbesondere gegen den ehemaligen Gesundheitsminister Alain Berset (52).
Langjährige Blockade sei endlich gelöst
Lange hat es im Gesundheitswesen einen Reformstau gegeben. Erst jetzt sei der Staudamm gebrochen, sagt Zängerle in der «NZZ». So soll etwa 2026 der neue Ärztetarif Tardoc kommen. Und im November sagte das Schweizer Stimmvolk Ja zur einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (Efas).
Zängerle wirft Berset vor, mitverantwortlich für die Blockade im Gesundheitswesen zu sein. Der SP-Bundesrat habe wenig Verständnis für Eigeninitiative und Wettbewerb gezeigt. Besonders kritisch sieht Zängerle Bersets Haltung gegenüber den Ärzten: «Er vertraute den Ärzten kaum und konnte sich gar nicht vorstellen, dass sie einem Tarif zustimmen, der ihnen nicht den maximalen Ertrag bringt – obwohl genau auf diesem Prinzip die Tarifpartnerschaft beruht.»
Selbstherrlicher Berset, aufmerksame Baume-Schneider
Doch nicht nur fachlich, auch persönlich scheint das Verhältnis belastet gewesen zu sein. Zängerle beschreibt Berset in der «NZZ» als selbstherrlich und erzählt von einer demütigenden Erfahrung: «Einmal hat er mich zu sich zitiert wie einen Schulbuben und mir alle Schande gesagt.» Diese Atmosphäre habe sich auch auf die Mitarbeiter im Bundesamt für Gesundheit übertragen, die laut Zängerle von ihrem Chef eingeschüchtert gewesen seien. Die Versicherer, die Ärzte und die Spitäler wiederum seien mit Verzögerungen bei der Behandlung des Tarifs zermürbt worden.
Ganz anders bewertet der Ex-Curafutura-Chef die neue Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider (61, SP). Unter ihr herrsche eine ganz andere Atmosphäre. «Wenn es einen runden Tisch gibt, kommt sie rechtzeitig, spricht freundlich mit allen Teilnehmern, hört zu.» Er schreibt ihr wichtige Erfolge zu, wie den Durchbruch beim neuen Ärztetarif Tardoc und die Einführung von Mengenrabatten für umsatzstarke Medikamente.
Zängerle war umstrittener Direktor
Gegen die Gewerkschaften teilt Zängerle erneut aus. Er unterstellt ihnen eine «versteckte Agenda» im Kampf gegen die Efas-Gesundheitsreform. Damit wird die Finanzierung der ambulanten und stationären Gesundheitsleistungen neu geregelt. Die vorgebrachten Argumente seien nur vorgeschoben gewesen. In Wahrheit fürchteten die Gewerkschaften, dass Efas das System zu sehr verbessern und stabilisieren könnte. «Das geht jenen gegen den Strich, die für eine Einheitskasse und ein staatlich gesteuertes Gesundheitssystem sind», sagt Zängerle in der «NZZ» weiter.
Allerdings gilt auch Zängerle selbst als umstrittene Figur in der Schweizer Gesundheitspolitik. Seine forsche Art und der andauernde Konflikt mit dem konkurrierenden Verband Santésuisse wurden von vielen als Hindernis für Fortschritte gesehen. In Politikerkreisen und Krankenkassen-Chefetagen wuchs der Unmut über die ständigen Widersprüche zwischen den beiden Verbänden. Der unfreiwillige Abgang war also zwar für Zängerle selbst ein Schock, aber nicht zwingend überraschend.