Für Pfizer-CEO Albert Bourla hätte die Woche nicht schlechter beginnen können. «Hiermit informiere ich die Öffentlichkeit, dass ich positiv auf das Coronavirus getestet wurde», so der Chef des Pharmakonzerns in einer Mitteilung. Der 60-Jährige zeigte sich dankbar dafür, dass er kraft vier verabreichter Dosen des hauseigenen Impfstoffs gut geschützt sei und nur von milden Symptomen geplagt werde: «Ich werde mich jetzt in Isolation begeben.»
Ein wenig besser läuft es Pfizer bei der Entwicklung neuer Covid-Impfstoffe. Im Herbst soll das an die Omikron-Variante angepasste Serum endlich auf den Markt gelangen – über ein halbes Jahr später als angekündigt. Die Zulassungsverfahren stehen bei Swissmedic und der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) kurz vor dem Abschluss, ebenso wie die für den Impfstoff von Moderna, der Konkurrenz.
Rolling Review könnte helfen?
Das Problem: Mittlerweile sind in der Schweiz und in Europa die Virus-Untervarianten BA.4 und BA.5 dominant geworden. Die neuen Impfstoffe, die demnächst zur Anwendung kommen sollen, haben eine hohe Wirksamkeit gegen die Wuhan-Variante und den Omikron-Subtyp BA.1. Obwohl sie auch vor den aktuell dominanten Erregern schützen, insbesondere vor schweren Verläufen, entwickeln Biontech/Pfizer und Moderna bereits neue Impfstoffe.
Am 9. August startete die EMA die sogenannte Rolling Review für einen Pfizer-Impfstoff gegen die Subtypen BA.4 und 5 der Omikron-Variante. Das heisst, die Behörde prüft neu verfügbare Studiendaten in einem laufenden Verfahren jeweils sofort, um keine Zeit zu verlieren.
Bei Swissmedic indes sucht man den Hinweis auf ein solches Verfahren vergeblich. «Es liegt uns kein entsprechendes Begehren vor», bestätigt Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi.
Sind Zulassungshürden in der Schweiz höher?
Über die Gründe schweigen sich die Impfstoffhersteller aus. Eine Pfizer-Sprecherin: «Zulassungsgesuche kommentieren wir grundsätzlich nicht.» Ähnlich kurz fällt die Antwort von Moderna aus: «Wir spekulieren nicht über Zulassungsanträge oder Genehmigungen.»
Swissmedic-Sprecher Jaggi will nicht gelten lassen, dass die Hürden zur Eröffnung eines Zulassungsverfahrens in der Schweiz höher seien als in der EU oder den USA: «Einen Swiss Finish gibt es nicht.» Im Gegenteil, man habe die Abläufe harmonisiert.
Vorerst bleibt also im Dunkeln, weshalb die EU-Behörden im Gegensatz zu ihren Schweizer Kollegen bereits ein Verfahren für die Zulassung von Impfstoffen gegen die Subtypen BA.4 und 5 gestartet haben. Der naheliegendste Grund könnte mit dem Marktpotenzial zusammenhängen – Impfhersteller verfolgen kommerzielle Interessen, die Schweiz als kleines Land scheint da weniger interessant.
Was bedeutet die Verzögerung?
Möglicherweise fehlt es den Herstellern aber auch an Personal mit dem nötigen regulatorischen Know-how. Swissmedic-Sprecher Jaggi rechnet jedenfalls damit, dass die Zulassungsbegehren spätestens dann eintrudeln werden, wenn klinische Studiendaten zu den allerneusten Impfstoffen vorliegen.
Was würde eine mögliche Verzögerung für das Infektionsgeschehen in der Schweiz bedeuten? Gegenüber SonntagsBlick betont der Infektiologe Philipp Jent vom Berner Inselspital: «Da sich BA.5 etwas mehr vom Wildtyp unterscheidet, ist es theoretisch vorstellbar, dass diese Kombination einen etwas breiteren Schutz bietet. Ob es allerdings in der Praxis tatsächlich so ist, weiss noch niemand.» Für Lukas Jaggi ist eine spätere Verfügbarkeit nicht zwingend ein Nachteil: «Wenn wir später impfen, hält der Schutz länger an.» So oder so würden die aktuell verwendeten Dosen gut vor schweren Verläufen schützen.