Die gute Nachricht zuerst: Laut dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) gibt es derzeit keinen Hinweis darauf, dass die Untervarianten von Omikron, die derzeit am verbreitetsten sind, schwerere Krankheitsverläufe verursachen als frühere Varianten.
Dennoch hört man aus der jüngsten Analyse des ECDC zur aktuellen Corona-Situation eine gewisse Beunruhigung heraus. Denn aktuell stecken sich wieder mehr ältere Menschen mit dem Virus an – und diese erkranken häufiger schwer. Modelle würden darauf hindeuten, dass in den nächsten Wochen nicht nur die Fallzahlen, sondern auch die Zahl der Corona-Toten steigen dürfte, so das ECDC.
«Wir müssen jetzt handeln»
Besonders gefährdet sind laut der EU-Behörde Personen über 60 Jahren. Das ECDC und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) haben darum vergangene Woche ihre Impfempfehlung angepasst. Nicht nur Menschen über 80, sondern auch 60- bis 79-Jährige sowie Personen mit Vorerkrankungen sollen nun möglichst rasch den zweiten Booster erhalten, raten sie. In Ländern, in denen mindestens 40 Prozent der Bevölkerung dreifach geimpft sind, könne das den Schutz vor Hospitalisierungen in dieser Bevölkerungsgruppe für den Rest des Jahres wesentlich erhöhen. Das zeigten Berechnungen.
«Die Ansteckungszahlen steigen wieder in der ganzen EU, und mit ihnen beobachten wir auch eine Zunahme schwerer Fälle, der Hospitalisierungen, der Intensivbelegung und der Sterblichkeit», lässt sich die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides (66) zitieren. «Wir müssen jetzt handeln und die Massnahmen zur Verbesserung des Schutzes auch im Hinblick auf weitere Herbst- und Winterwellen verstärken.»
Bund hält an bisheriger Strategie fest
In der Schweiz sind 44 Prozent der Bevölkerung einfach geboostert. Eine zweite Auffrischimpfung gibt es bis auf weiteres nur für über 80-Jährige gratis. Und der Bund hat auch nicht vor, daran etwas zu ändern.
Die Lagebeurteilung seit der jüngsten Anpassung der Impfempfehlung Anfang Juli habe sich nicht geändert, so die Meinung des Bundesamts für Gesundheit (BAG). «Das Risiko einer schweren Erkrankung ist bei Personen ab 80 Jahren deutlich höher als bei jüngeren Altersgruppen, und eine schwere Belastung des Gesundheitssystems wird nicht erwartet», teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Eine weitere Auffrischimpfung für andere Zielgruppen beurteile man darum momentan «als nicht zielführend».
Mehr zur Corona-Lage
Auch Christoph Berger (60), Präsident der Eidgenössischen Impfkommission (Ekif), sieht aufgrund der angepassten EU-Empfehlung keinen Grund, über die Bücher zu gehen. «Eine weitere Auffrischimpfung für weitere Zielgruppen ist zurzeit nicht empfohlen», hält er fest. Er verweist darauf, dass die epidemiologische Situation von Land zu Land unterschiedlich sein könne und man die Empfehlung darauf abstimmen müsse.
Im nahen Ausland impft man schon früher
Aus Sicht der EU-Behörden ist die Sache hingegen klar: Je früher bei den über 60-Jährigen wieder mit dem Boostern begonnen wird, desto besser. Im nahen Ausland erhalten diese teilweise schon jetzt kostenlos einen vierten Piks. So empfehlen Frankreich und Italien die zweite Auffrischimpfung ab 60, in Österreich gilt die Altersgrenze 65. Und in Deutschland werden derzeit Senioren über 70 Jahren geimpft.