Der ehemalige «Mr. Corona» Daniel Koch (67) war sich sicher: «Im Sommer 2022 ist Corona gegessen.» Knapp zwei Jahre ist es her, dass das Zitat auf der Titelseite der «Schweizer Illustrierten» prangte, dazu ein Foto des gutgelaunten Pensionärs, der wenige Monate zuvor altershalber das Amt als oberster Pandemie-Manager des Bundes an den Nagel gehängt hatte.
Nun ist er da, der Sommer 2022, und Corona noch immer präsent. Die Schweiz befindet sich mitten in einer Covid-Sommerwelle, die jede Woche Tausende Menschen flachlegt. Während über 80-Jährige derzeit die vierte Impfung erhalten, blicken Expertinnen und Experten sorgenvoll gen Herbst. Die Genfer Virologin Isabella Eckerle wirft dem Bund vor, den Kopf in den Sand zu stecken, der Zürcher Infektiologe Huldrych Günthard macht sich wieder fürs Maskentragen stark. «Gegessen» ist Corona für sie ganz und gar nicht.
«Corona nicht mehr gefährlicher als eine Grippe»
War der ehemalige Corona-Manager, rückblickend betrachtet, also zu optimistisch? Daniel Koch verneint. «In Bezug auf die Massnahmen sind wir genau da, wo ich uns vor zwei Jahren gesehen habe», findet er, konfrontiert mit seiner Aussage vom Herbst 2020. Denn es steckten sich derzeit zwar viele Menschen an, doch nur sehr wenige erkranken schwer. «Die Situation ist nicht annähernd vergleichbar mit dem Beginn der Pandemie. Inzwischen ist Corona nicht mehr gefährlicher als eine Grippe», so Koch.
Der ausgebildete Mediziner ist ganz anderer Meinung als die erwähnten Fachpersonen, die das zögerliche Vorgehen von Bund und Kantonen kritisieren. Er findet im Gegenteil, der Umgang mit Corona werde heute zu etwas Grösserem gemacht, als er noch ist. «Ich bin überrascht, dass sich die Gesundheitsbehörden noch immer so stark auf Corona konzentrieren», sagt er. Er spricht dabei insbesondere auch den Umgang mit dem Virus im Ausland an, namentlich in Deutschland.
Massnahmen derzeit «völlig ungerechtfertigt»
«Man muss sich bewusst sein, dass Covid-19 das einzige Virus ist, das wir so breit testen. Würden wir das auch bei anderen Erkältungsviren tun, würden wir auch bei ihnen ab und zu eine Sommerwelle sehen», gibt Koch zu bedenken. Dies heisse nicht, dass es sich um ein harmloses Virus handle. «Natürlich gibt es Menschen, die schwer erkranken oder an Langzeitfolgen leiden.» Eine Maskenempfehlung oder andere Massnahmen hält Koch aktuell aber für «völlig ungerechtfertigt».
Koch hat sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die Einschätzung der Wissenschaft gestellt oder diese angezweifelt und damit deren Zorn auf sich gezogen. In Erinnerung bleibt insbesondere das Abstreiten des Nutzens von Masken zu Beginn der Pandemie, das ihm viel Kritik eingebracht hat.
Ukraine statt Corona
Inzwischen nimmt das Thema Corona nicht mehr so viel Platz in Kochs Leben ein. «Bis im Frühling habe ich die Situation fast täglich verfolgt, jetzt habe ich etwas zurückgesteckt», erzählt er.
Koch hatte nach seiner Pensionierung ein Beratungsunternehmen gegründet. Noch immer erhalte er ab und zu Anfragen für Vorträge. Offizielle Mandate habe er aber keine mehr.
Der ehemalige «Mister Corona» hatte in den vergangenen Monaten andere Prioritäten. Koch hat einen geflohenen Ukrainer sowie zwischenzeitlich auch dessen Sohn bei sich in der Wohnung im Kanton Bern aufgenommen. Drei sehr intensive Monate, wie Koch erzählt. Inzwischen hat er für seinen Gast eine eigene Bleibe gefunden.