Auf einen Blick
- Partei auf Erfolgskurs, doch neue Herausforderungen warten
- EU-Deal könnte zur Zerreissprobe werden
- Wahlen 2027 werden zur Bewährungsprobe
Mitte-Präsident Gerhard Pfister (62) tritt im Juni ab. Er verlässt den Chefposten auf einem Höhepunkt. Die Partei hat bei den nationalen Wahlen den Turnaround geschafft und zeigt sich in den grossen Themen weitgehend geschlossen.
So konnte sie etwa in der Gesundheitspolitik und mit ihren beiden Heiratsstrafe-Initiativen eigene Akzente setzen. Ein durchaus attraktives Paket für Pfisters Nachfolge, das Kandidatenkarussell dreht sich bereits.
Aber Achtung, auf die neue Führungsperson warten einige Fallstricke. Blick erklärt, wo für den neuen Mitte-Chef oder die Mitte-Chefin die drei grössten Herausforderungen liegen.
Der EU-Deal
Eine Europa-Allianz aus FDP, SP und Mitte hat den bilateralen Weg bisher verteidigt und wurde dabei in den Volksabstimmungen meist bestätigt. Nun liegt ein neuer EU-Deal auf dem Tisch. Dieser wird für die Mitte zur Zerreissprobe. Die Frage der «fremden Richter» treibt vor allem die konservativen Stammlande um, während die Romandie und wirtschaftsliberalen Zentren die Beziehungen zur EU stabilisieren wollen.
Wie sich die Kräfte verteilen, ist noch unklar. Ein Drittel sei gegen einen neuen EU-Deal, ein Drittel ohne Wenn und Aber dafür und ein Drittel unentschieden, schätzt ein Insider. Am Schluss dürfte aber ein pragmatisches Ja resultieren. So betonte auch Parteivize Vincent Maitre (43) am Dreikönigsgespräche vom Montag, dass stabile Beziehungen zur EU für die Schweiz «essenziell» seien.
Ein neuer Parteichef braucht viel Fingerspitzengefühl, damit die internen Zwistigkeiten nicht in einen hässlichen Grabenkampf ausarten. Und er muss dafür sorgen, dass sich das in der Auseinandersetzung unterliegende Lager sich in Zurückhaltung übt und das obsiegende Lager unaufgeregt den beschlossenen Kurs vorantreibt.
Die Ständeräte
Der Ständerat versteht sich als Chambre de Réflexion – als jene Parlamentskammer, die lieber etwas länger überlegt, als aus der Hüfte zu schiessen. Blosse Parteipolitik? Pfui! Gerade bei den Mitte-Ständeräten kommt es schlecht an, wenn die Zentrale den Kurs vorgibt. Pfister hat mehrfach erlebt, dass seine Standesherren lieber ihr eigenes Süppchen kochen. Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse reichen oft nur wenige Abweichler-Stimmen, um den Chef zu desavouieren.
Pfister ist an der Situation nicht unschuldig. Er wirkt nicht selten abgehoben. Er rügte seine Ständeräte öffentlich, wenn sie die Parteilinie durchkreuzten. Je mehr er sie «höflich» daran erinnerte, wem sie ihr Mandat zu verdanken hätten, umso bockiger wurden sie.
Ein Neuling wird hier Scherben kitten und sich ein bisschen umgänglicher zeigen müssen. Dann gewinnt die Mitte als Zünglein an der Waage auch an Durchschlagskraft.
Der Wahlerfolg
Pfister hat die Partei wieder auf Erfolgskurs gebracht. 14,1 Prozent Wähleranteil – das ist die Latte, an der sich die Nachfolge messen lassen muss. Die Wahlen 2027 werden zur Bewährungsprobe, ob sich der Turnaround bestätigt oder bloss als Strohfeuer entpuppt.
Das frische Label «Mitte» hat neue Wählerschichten angezogen, doch diese können sich auch schnell wieder verflüchtigen, wie das Beispiel der BDP zeigt. Umso mehr gilt es nun, mit der geplanten Parteistrategie 2033 bestehende Lücken zu füllen. Knackige Themen setzen nämlich regelmässig andere Parteien. Kommunikativ hinkt die Mitte der Konkurrenz hinterher. Die Mitte muss also agiler werden.
Offen ist zudem, wie der soziale Aspekt künftig gewichtet wird. Pfister scheute sich nicht, auch mal mit der Linken einen Deal auszuhandeln. Mit seinem «bürgerlich-sozialen» Kurs grenzte er sich bewusst von FDP, SVP und GLP ab. Das Balancieren zwischen christlich-sozialem und wirtschaftsliberalem Flügel bleibt auch für den künftigen Chef eine ständige Gratwanderung.