Es sind die begehrtesten Stühle in Bern – jene im National- und Ständeratssaal des Bundeshauses. Und die teuersten: Wer gewählt werden will, muss tief in die Tasche greifen. In diesem Jahr wird die ganze Schweiz erstmals wissen, wer sich einen Parlamentssitz wie viel kosten lässt. Es gelten neue Regeln für die Politikfinanzierung.
Bislang haben noch nicht viele Politikerinnen und Politiker die Karten auf den Tisch gelegt. Im öffentlichen Tool der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) findet man von allen Kandidierenden bis jetzt erst die Wahlkampffinanzierung von Mitte-Nationalrat Nicolò Paganini (57).
«Ich habe nicht gewusst, dass ich der Erste bin, der die Daten eingereicht hat. Es war auch nicht mein Ziel», sagt Paganini lachend. «Ich wollte es einfach schnell erledigen.»
Die Kandidatinnen und Kandidaten müssen ihre budgetierten Einnahmen und Spenden über 15'000 Franken bis am 7. September der eidgenössischen Finanzkontrolle melden – also eineinhalb Monate vor der Wahl.
Nach der Wahl gibt es 60 Tage Zeit für die Schlussabrechnung: Dort müssen Nationalräte wiederum die Einnahmen und Spenden über 15'000 Franken anzeigen. Die Ständerätinnen müssen zusätzlich auch Spenden aus dem Ausland und anonyme Zuwendungen mitteilen – egal, um wie viel es sich handelt.
Bis seine Daten auf dem Portal landeten, musste Paganini aber einen steinigen Weg zurücklegen. «Es war unglaublich kompliziert und eine grosse Bürokratie, bis ich mein Budget eingereicht habe.» Das Verfahren habe einige Zeit in Anspruch genommen. «Zuerst musste man mit ID-Kopie einen Account eröffnen und sich registrieren, anschliessend kam die Aufforderung zur Anmeldung mit einer Zwei-Faktor-Authentifizierung, um dann eine Kampagne zu eröffnen. Dafür braucht man aber einen Code, der bei mir zuerst nicht geklappt hat», schildert er seinen Ärger.
Ausgerechnet Paganini ist der Erste. Er ist ein Kritiker der neuen Offenheit. «Ich glaube nicht, dass die Offenlegung etwas nützt. Die zusätzliche Transparenz wird überbewertet und führt höchstens dazu, dass Leute weniger spenden, weil sie nicht öffentlich genannt werden wollen», sagt er.
54'000 Franken für einen Sitz
54'000 Franken hat er für den Wahlkampf zur Verfügung. Bis jetzt – «das kann aber noch mehr werden». Dann werde er das Budget bei der EFK anpassen. Sein Geld komme von verschiedenen Spendern, die jeweils deutlich weniger als 15'000 Franken bezahlt hätten. Er hat keine Grossspender.
In diesem Jahr will Paganini weniger Geld einsetzen als noch vor vier Jahren. «Damals war ich noch relativ neu im Parlament und die Leute haben mich weniger gekannt.»
2019 setzte Paganini auch auf unkonventionelle Wahlkampfprojekte: So half er zum Beispiel auf einer Baustelle. In diesem Jahr soll es konventioneller werden, mit Wahlplakaten und Online-Werbung. Ein weiterer Kostenpunkt sind Abgaben an die Partei. «Ich werde auch der Mitte-Partei St. Gallen etwas für den Wahlkampf bezahlen müssen.»
Kritik von Transparenz-Befürwortern
Die neuen Regeln waren ein Gegenvorschlag zur Transparenz-Initiative. Trotzdem gibt es auch Kritik: «Sie ist besser als nichts, aber sie ist schlecht», sagt Otto Hostettler, der Co-Präsident der unabhängigen Transparenzplattform Lobbywatch, zum «Beobachter». Grosse Geldgeber könnten via Vereine oder Stiftungen verschleiert werden und die EFK veröffentlicht auch Spendenangaben, selbst wenn Verdacht auf Falschinformationen besteht. Erst bei einer Verurteilung wird im Register ein Vermerk gemacht. «Falsche Spendendaten bleiben praktisch folgenlos», so Hostettler.
Die EFK prüft die Angaben anhand von Stichproben innerhalb von 15 Tagen nach Einreichung. Bei Paganini war das noch nicht der Fall.