Erneuerbare Energien fördern
Schweizer wollen weg vom Putin-Öl

Die Schweizer Bevölkerung will die Energiewende vorantreiben, wie eine GFS-Umfrage zeigt. Neuen AKW und fossiler Energie erteilt sie eine Absage, stattdessen sollen die Erneuerbaren gefördert werden. Auch für ein Stromabkommen mit der EU ist das Volk zu haben.
Publiziert: 31.05.2022 um 15:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.06.2022 um 11:54 Uhr
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Die Schweizer Bevölkerung will weg von fossilen Energieträgern aus nicht-demokratischen Staaten. Das gilt damit auch für Russen-Öl – hier Greenpeace bei einer Protestaktion.
Foto: AFP
Ruedi Studer

Die EU macht ernst und plant ein schrittweises Embargo für Russen-Öl. Das wirkt sich indirekt auch auf die Schweiz aus, wird doch das weltweite Angebot dadurch künstlich verknappt. Umso dringlicher werden die Bestrebungen, sich von der fossilen Abhängigkeit zu lösen, wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine auch der Schweiz vor Augen führt.

Ein Anliegen, welches auch die Schweizer Bevölkerung unterstützt, wie eine repräsentative Umfrage des GFS-Meinungsforschungsinstituts zeigt: 77 Prozent der Befragten sind damit einverstanden, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus nicht-demokratischen Ländern zu stoppen. Nein zu Russen-Öl und Putin-Gas also! Und über 80 Prozent zeigen sich mit der Förderung erneuerbarer Energien einverstanden, um so grundsätzlich die Energie-Abhängigkeit vom Ausland zu bekämpfen.

Erneuerbare Energie bevorzugt

Die im Auftrag des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) durchgeführte Umfrage liefert zudem weitere Anhaltspunkte zur Energie- und Klimapolitik. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus:

  • Mit der aktuellen Energiepolitik – schrittweise weg von fossilen hin zu erneuerbaren Energien – zeigen sich 56 Prozent eher bis sehr einverstanden. 40 Prozent sind unzufrieden. Eine deutliche Mehrheit geht davon aus, dass ohne sofortigen Umstieg auf Erneuerbare die Klimakatastrophe nicht mehr abzuwenden ist. Allerdings befürchtet auch eine deutliche Mehrheit, dass die erneuerbaren Energien bei Weitem nicht reichen, um den Strombedarf der Schweiz zu decken.
  • Mit dem Ja zur Energiestrategie 2050 läutete das Stimmvolk den Ausstieg aus der Atomkraft ein. Den Entscheid hält eine knappe Mehrheit weiterhin für richtig und lehnt den Bau neuer Atomkraftwerke ab, nur 41 Prozent möchten dies ermöglichen. Nur 44 Prozent erwarten, dass die Atomkraft in den nächsten 10 bis 20 Jahren noch eine zentrale Rolle bei der Stromproduktion spielt. Allerdings sehen 59 Prozent in einem generellen Verbot der Atomtechnologie eine «unnötige Einschränkung des künftigen Handlungsspielraums».
  • Mit der Energiewende gewinnt die Stromproduktion zusätzlich an Bedeutung. Bei den Aufgaben, welche diese zu erfüllen hat, sehen 53 Prozent der Befragten die Versorgungssicherheit an erster Stelle, ein Viertel räumt der klimaneutrale Energieproduktion erste Priorität ein und einem Fünftel sind bezahlbare Strompreise am wichtigsten. Was auffällt: Bei den Parteianhängern setzen einzig die Grünen die klimaneutrale Energieproduktion auf den ersten Platz – mit satten 73 Prozent.
  • Wenn es um die Kosten der Energiewende geht, zeigt sich ein ambivalentes Bild. Gut je die Hälfte beurteilt die Energiewende als «viel zu teuer» oder eben nicht. Gleichzeitig finden 55 Prozent, dass die Energiewende «jetzt angegangen werden muss, egal wie viel Geld das kostet». Eine knappe Mehrheit möchte zudem die Schweizer Firmen nicht mit zusätzlichen Kosten belasten. Und wenn es ums eigene Portemonnaie geht, ist für gut drei Viertel klar, dass der Aufbau einer nachhaltigen Energieproduktion den Strom «nicht massiv verteuern darf».
  • Geht es um die Energieproduktion, ist derzeit immer wieder von einer drohenden Strommangellage die Rede. Allerdings möchte zwei Drittel der Befragten keine Stromausfälle riskieren. Fast ein Drittel findet das aber okay, wenn damit die Klima- und Energieziele erreicht werden. Und sogar 39 Prozent wollen kompromisslos auf die Energiewende setzen – selbst wenn damit Stromausfälle in Kauf genommen werden müssen. Als politische Massnahmen gegen die Strommangellage erachten die Befragten vor allem die Förderung der erneuerbaren Energie, die Förderung von Energieeffizienz, aber auch Lenkungsabgaben, Subventionen oder steuerliche Anreize als sinnvoll.
  • Klar ist auch, ohne Ausbau der Stromproduktion geht der Umstieg nicht. Und dafür sie die Bevölkerung viel Potenzial. Massive Mehrheiten sprechen sich für grosse Solaranlagen auf Autobahnen oder Stauseen aus, ebenso auf allen geeigneten Dächern und Fassaden. Mit Gross-Solaranlagen in den Bergen auf freien Wiesen kann sich immerhin gut die Hälfte anfreunden. Auch neue Stauseen, wo früher Gletscher waren, befürworten zwei Drittel. Und mit Windrädern sind 55 Prozent einverstanden – selbst wenn sie diese von sich zuhause aus sehen würden. Eine Mehrheit hingegen lehnt ein Gaskraftwerk in der Nähe des eigenen Wohnorts ab. Und nur knapp die Hälfte möchte überhaupt Gaskraftwerke für Notfälle bauen.
Kantone haben Energiewende verschlafen
6:45
Abhängig von Russen-Gas:Kantone haben Energiewende verschlafen
  • Mit dem Abschuss des EU-Rahmenabkommens durch den Bundesrat sind auch die Verhandlungen über ein Stromabkommen zwischen der EU und der Schweiz blockiert. Dabei hätte ein solches in der Bevölkerung gute Chancen. 64 Prozent sprechen sich für ein Stromabkommen aus, nur 30 Prozent sind dagegen. Der Rest ist unentschlossen. Bei den Parteien lehnen einzig die SVP-Anhänger ein Stromabkommen mit 60 Prozent mehrheitlich ab. Allerdings nimmt die Zustimmung auch bei den anderen Parteien ab, wenn mit einem Abkommen Abstriche in den Bereichen Lohnschutz oder Zuwanderung verknüpft sind. Dann schrumpft das Befürworterinnen-Lager auf 40 Prozent, die Gegner legen auf 55 Prozent zu. Mehrheiten finden sich aber weiterhin bei Grünen, SP und GLP.

Ausbauprojekte vorantreiben

«Im Trilemma Versorgungssicherheit, Umweltschutz und Kosten gibt es eine klare Priorisierung: Versorgungssicherheit steht über allem – vor dem Umweltschutz und den Kosten», kommentierte VSE-Direktor Michael Frank das Verdikt der Bevölkerung. «Dieses Resultat muss bei den anstehenden politischen Weichenstellungen klar die Richtung vorgeben und Anreiz sein, die offensichtlich nicht mehrheitsfähige Blockadepolitik der letzten Jahre aufzugeben.»

So müssten die zahlreichen Ausbauprojekte, die heute über Jahre hinaus in Bewilligungsverfahren und vor Gerichten festhängen würden, endlich vorankommen.» Für den Umbau des Energiesystems brauche es mehr Kompromissfähigkeit, machte er klar.

Denn: «Biodiversität bedingt ein gesundes Klima, und dieses gibt es nur durch die Elektrifizierung von Mobilität, Gebäude und Industrie.» Dem unerlässlichen Beitrag, den eine auf erneuerbaren Energien basierende Energieversorgung an den Klimaschutz leistet, «ist dringend Rechnung zu tragen».

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