2020 war für SVP-Finanzminister Ueli Maurer (70) ein Horrorjahr. Der Bundeshaushalt schliesst mit einem rekordhohen Defizit von 15,8 Milliarden Franken ab. Und der Schrecken hat einen Namen: Corona.
Das Minus geht fast vollständig auf Kosten der Krise – mit coronabedingten Ausgaben von rund 15 Milliarden Franken. Am meisten ging für Kurzarbeitsentschädigungen und Erwerbsersatz drauf. Viel Geld floss aber auch für die Beschaffung von Schutzmaterial sowie für Unterstützungsbeiträge für Sport, Kultur und ÖV.
Insgesamt rechnet Maurer mit Corona-Kosten von 60 bis 70 Milliarden Franken für Bund und Kantone in den Jahren 2020 und 2021. Der Bund trägt dabei die Hauptlast.
Kantone zahlen gut drei Milliarden Franken
Doch auch die Kantone müssen tief in die Tasche greifen. Der Bund beziffert deren Corona-Ausgaben in der neuen Finanzstatistik auf total 2,75 Milliarden Franken. Eine BLICK-Umfrage, bei der 21 Kantone Zahlen lieferten, bestätigt dieses Resultat: 2020 haben die Kantone weit über 2,6 Milliarden Franken zur Bewältigung der Corona-Krise ausgegeben! Die effektiven Kosten dürften noch höher liegen, lassen sich doch nicht alle Ausgaben klar abgrenzen. Und auch Mindereinnahmen durch weniger Steuern oder Gebühren sind meist nicht erfasst.
Hauptposten war letztes Jahr in vielen Kantonen der Gesundheitsbereich. Während des ersten Lockdowns durften die Spitäler wochenlang keine nicht zwingenden Operationen durchführen, was zu grossen Ertragsausfällen führte. Hier mussten die Kantone Geld nachschiessen.
Ansonsten sind die Posten bunt gemischt: Der Betrieb von Contact Tracing, Test- und Impfzentren kostet ebenso wie Ausfallentschädigungen für Kultur, Sport, Kindertagesstätten. Der öffentliche Verkehr brauchte vielerorts einen Zustupf, nachdem sich viele Pendler ins Homeoffice verabschiedet hatten. Unterstützungsgelder oder Werbeaktionen für Tourismus haben einige Kantone ebenfalls verbucht. Gelder flossen teils an die Landwirtschaft, im Wallis etwa für die Deklassifizierung von AOC-Weinen. Einige Kantone haben zudem schon vor dem Bund eigene Härtefallprogramme auf die Beine gestellt und damit Firmen unterstützt.
Ausgabenfreudigere Romandie
Was auffällt: In der Romandie fallen die Corona-Kosten tendenziell höher aus. Nicht ohne Grund: Die welschen Kantone wurden in der ersten und zweiten Welle früher und härter getroffen, teils mit kantonalen Lockdowns. Und sie hatten auch weniger Hemmungen, finanziell Gegensteuer zu geben. So beschloss der Kanton Freiburg im Oktober einen 63 Millionen schweren Wiederankurbelungsplan für die Wirtschaft.
Das Wallis äufnete einen Corona-Sonderfonds mit 150 Millionen Franken, aus dem in Zukunft auch andere unvorhersehbare Ereignisse finanziert werden sollen. Für betroffene Kulturschaffende gibt es seit September sogar einen Minimallohn von 2300 Franken. «Das wäre vor einem Jahr noch undenkbar gewesen», sagt Staatsrat Roberto Schmidt (59, CVP) zu BLICK. «Je mehr Leute es wirtschaftlich getroffen hat, umso stärker wurde der Druck auf die Politik, zu reagieren.»
Ertragsüberschüsse trotz Corona
Trotz der immensen Corona-Ausgaben stehen die meisten Kantone finanziell noch gut da: Fast alle schliessen 2020 mit einem Ertragsüberschuss ab. Teils massiv höher als budgetiert. Die Hauptgründe dafür sind noch immer sprudelnde Steuereinnahmen und vor allem zusätzliche Milliarden-Ausschüttungen der Nationalbank.
Insofern hatten die Kantone Glück: «Die Corona-Krise hat uns zu einem Zeitpunkt getroffen, in dem die meisten Kantone wirtschaftlich und finanziell auf soliden Beinen stehen», sagt Peter Mischler (43), Generalsekretär der Finanzdirektorenkonferenz. «Ohne Krise wären die Staatsrechnungen noch einmal besser ausgefallen.»
2021 schlägt Krise noch härter durch
Die Gewinne sind aber auch nötig, denn 2021 wird die Krise erst richtig durchschlagen. Für die Kantone dürften die Härtefallgelder zum Hauptposten werden. Das Zehn-Milliarden-Franken-Programm läuft erst langsam an. Die Kantone müssen rund 30 Prozent davon tragen, der Bund übernimmt den Rest. Schon jetzt ist klar: Die zehn Milliarden Franken werden nicht reichen, wie SVP-Bundesrat Maurer am Dienstag an einer Medienkonferenz deutlich machte.
In der BLICK-Umfrage rechnen die Kantone im besten Fall mit ähnlichen Kosten wie 2020, meistens aber mit deutlich mehr. «Wir haben alleine in den ersten drei Monaten netto rund 120 Millionen Franken an Corona-Hilfen beschlossen – gleich viel wie das ganze letzte Jahr», illustriert Finanzdirektor Schmidt die Situation im Wallis. «Allein für die Gastro-Unterstützung geben wir fast 25 Millionen aus – jeden Monat! Kommen nicht bald Lockerungen, ist unsere Reserve rasch aufgebraucht.»
Jetzt kommen die Steuerausfälle
Doch nicht nur bei den Ausgaben hängt viel vom weiteren Pandemieverlauf ab, sondern auch bei den Einnahmen. Eindeutig ist der Tenor, was die Steuereinnahmen betrifft. Diese werden 2021 deutlich zäher fliessen, insbesondere von den Unternehmen. Schmidt rechnet in einer ersten Prognose mit mindestens 35 Millionen Franken weniger für das Wallis. Und Graubünden rechnet gar mit 50 Millionen Franken weniger Steuern.
Immerhin: Auch dieses Jahr dürfen alleine die Kantone wieder auf vier Milliarden Franken der Nationalbank hoffen. «2021 wird für alle härter, da sind wir auf dieses Geld zur Abfederung angewiesen», sagt Schmidt. «Erst recht, wenn wir in eine dritte Welle kommen – dann wird alles nochmals massiv teurer.»