Wenn Elitesoldaten des Armee-Aufklärungsdetachements AAD10 die Schweizer Botschaft in der afghanischen Hauptstadt Kabul evakuieren sollen, kommt es auf jede Sekunde an. Für das Verteidigungsdepartement (VBS) von Bundesrätin Viola Amherd (61) ist es daher zwingend, dass Spezialeinheiten auch tatsächlich jederzeit einsatzbereit sind.
Aus diesem Grund hält der Bundesrat an der Covid-Impfpflicht für Militärpersonal fest, das kurzfristig weltweit eingesetzt werden können muss. Einerseits, damit die Gesundheitsvorschriften in den betroffenen Staaten eingehalten werden können. Andererseits, weil eine Covid-Erkrankung die Einsatzbereitschaft «massiv und über längere Zeit einschränken» könnte.
US-Armee hat Impfpflicht bereits gekippt
Anders sieht das SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor (59). Der Sicherheitspolitiker kann nicht verstehen, dass die Schweizer Armee auch heute noch an einer Impfpflicht gegen das Coronavirus festhält und verweist darauf, dass auch die US-Streitkräfte eine solche für ihr Personal aufgehoben haben. Daher erhofft er sich von der Schweiz den gleichen Schritt.
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Tatsächlich hatten die Corona-skeptischen Republikaner im US-Kongress die Impfpflicht schon Ende 2022 gekippt – gegen den Willen von Präsident Joe Biden (81), der sie als Sicherheitsmassnahme ansah. Der Entscheid liess offen, ob das Verteidigungsministerium die bis dahin 8000 entlassenen Impfgegner wieder einstellt oder nicht.
Bundesgericht erachtet Impfung als zumutbar
Der Bundesrat zeigt sich davon allerdings wenig beeindruckt. Auch nachdem die Pandemie ihren Schrecken mehrheitlich verloren hat, bleibt die Impfpflicht für die Landesregierung wichtig. Die Soldaten müssten nicht nur auch in Ländern eingesetzt werden können, in denen Corona-Impfauflagen für die Durch- oder Einreise bestehen. Die Impfung reduziere auch das Erkrankungsrisiko der Soldaten selber.
Der Bundesrat verweist auf einen Entscheid des Bundesgerichts vom vergangenen März. Damals waren die Richter in Lausanne zum Schluss gekommen, dass die Schweizer Armee vier Berufsmilitärs zu Recht gekündigt hatte, weil sie die Covid-19-Impfung verweigerten.
Die Impfpflicht und die Entlassung im Fall einer Verweigerung stellen zwar einen Eingriff in die persönliche Freiheit dar. Dieser sei hier aber gerechtfertigt: Die Impfung sei eine präventive Massnahme, um den sofortigen Einsatz von Spezialkräften zu ermöglichen.
Für alle anderen keine Impfpflicht
Bei Berufsmilitärs einer Spezialeinheit sei der Eingriff als leicht zu betrachten. Sie stünden in einem besonderen Rechtsverhältnis zum Staat. Mit dem Dienst in der Armee sei zudem die Gehorsamspflicht verbunden. Für das Bundesgericht ist die Impfung daher in solchen Fällen zumutbar.
Wie viele Armeeangehörige von einer Corona-Impfpflicht betroffen sind, gibt die Armee nicht bekannt. Es sei vertraulich, wie viele Soldaten weltweit einsetzbar sind, erklärt eine Sprecherin. Fakt sei, dass bei allen anderen Armeeangehörigen keine Impfpflicht bestehe. Einzig bei wenigen Funktionen werde Impfwilligkeit vorausgesetzt, etwa eine Hepatitis-Impfung beim Sanitätspersonal. Andernfalls werden die Betroffenen anderswo eingeteilt.