Auch der Berner SVP-Nationalrat Lars Guggisberg (43) nimmt sich aus dem Rennen für das SVP-Präsidium. «Aktuell kommt für mich eine Kandidatur nicht in Frage», sagt er zu BLICK.
Guggisberg war vom Newsportal «Watson» kürzlich als «Geheimfavorit» gehandelt worden. Er sitzt erst seit einem halben Jahr im Bundesparlament. Dementsprechend kommt das Machtvakuum an der Spitze der Partei für den Finanzpolitiker zu früh – auch wenn ihn das Amt grundsätzlich reizt. «Ich schliesse nicht aus, dass ich in einigen Jahren für das Präsidium kandidiere», sagt er.
Kinderzimmer vor Wandelhalle
Vorerst aber will sich der Berner ganz auf seine Arbeit als Finanzpolitiker und Anwalt konzentrieren. Und auf seine Rolle als Vater. «Der Hauptgrund für meine Absage ist meine familiäre Situation.» Guggisberg hat zwei Kinder im Alter von neun und zehn Jahren. Da liege der zeitintensive und nervenaufreibende Posten des Parteichefs nicht drin.
Kinderzimmer vor Wandelhalle. Was vor wenigen Jahren in der Rechtspartei noch belächelt wurde, scheint unter den jüngeren SVP-Politikern heute gang und gäbe. Sowohl der von vielen als Wunschkandidat gehandelte Schwyzer Nationalrat Marcel Dettling (39) als auch der Solothurner Nationalrat Christian Imark (38) erteilten der Partei wegen ihrer familiären Pflichten eine Absage.
Ins selbe Horn stiess kürzlich die Aargauer Nationalrätin Martina Bircher (36). «Die Familie steht für mich an erster Stelle», sagte sie im BLICK. «Das SVP-Präsidium wäre zu zeitaufwendig, um beides miteinander vereinbaren zu können.»
Es hagelt Absagen
Und so dreht das Kandidatenkarussell weiter – zumindest medial. Kandidaten werden öffentlichkeitswirksam lanciert, um sich kurze Zeit später wieder aus dem Rennen zu nehmen. Für die Partei, die so ihre halbe Fraktion im Schaufenster präsentieren kann, ist das gut.
Doch tatsächlich ist die Auswahl an ernsthaften Kandidaturen bei der grössten Schweizer Partei mager: Vier Wochen vor der Wahl haben mit Andreas Glarner (57) und Alfred Heer (59) erst zwei Kandidaten offiziell Interesse bei der SVP-Findungskommission angemeldet. Gemeinsam ist ihnen, dass sie parteiintern keine Begeisterungsstürme auslösen. Dass die Findungskommission händeringend nach Alternativen sucht, spricht Bände.
Glarner provoziert für viele zu oft. Erst kürzlich sorgte er für Empörung, als er die ausländischen Namen von Aldi-Lehrabgängern anprangerte. Dem ehemaligen Zürcher Kantonalpräsidenten Heer hingegen wird vorgehalten, zu wenig auf der Linie von SVP-Übervater Christoph Blocher (79) zu politisieren – was in der Partei traditionell schlecht ankommt.
Kommt da noch jemand?
Bleibt die Frage: Wars das? Oder kommt da noch jemand? Einige SVP-Vertreter gehen davon aus, dass es sich bei den feilgebotenen Kandidaturen eher um ein Ablenkungsmanöver handelt und die Parteispitze noch ein Ass im Ärmel hat. So sagt etwa SVP-Nationalrat Imark: «Ich kann mir gut vorstellen, dass kurz vor der Wahl am 22. August noch ein aussichtsreicher Name auftaucht.»
Doch das könnte auch Wunschdenken sein. Denn wer sollte sich plötzlich noch aufdrängen? Während der Corona-Krise hat ein enger Kreis um Fraktionschef Thomas Aeschi (41), Vizepräsidentin Magdalena Martullo-Blocher (50) und Vizepräsident Thomas Matter (54) sowie den neuen Stabschef Franz Grüter (56) die Partei geführt – und SVP-Chef Albert Rösti (52) zunehmend abgelöst.
Der Machtzirkel wird auch bei der Besetzung des Chefpostens mitmischen. Aeschi dürfte als Mitglied der Findungskommission jedoch kaum für das Präsidium in Frage kommen. Und Matter ist aus Sicht vieler als Banker ungeeignet, um das Bild der Partei zu prägen.
Grüter wiederum verrichtet als Stabschef, der durch die Kantonalsektionen tingelt, zwar viel Knochenbüez, hat eine Anfrage der Findungskommission jedoch bereits ausgeschlagen. «Als Stabschef will ich den künftigen Präsidenten entlasten», sagt Grüter. «Das Präsidentenamt wäre nebst meiner beruflichen Tätigkeit als Unternehmer aber zu zeitintensiv.»
Lässt sich eine frühere Führungsfigur überreden?
Die Findungskommission soll schon derart verzweifelt sein, dass sie sogar den früheren SVP-Nationalrat und einstigen Fraktionschef Adrian Amstutz (66) angefragt habe, berichtet «Nau». Tatsächlich tritt der Berner trotz seines Rücktritts aus dem Parlament immer wieder für die SVP öffentlich auf. Doch zu BLICK sagt er klipp und klar: «Nein, das Präsidium kommt für mich nicht in Frage.»
Selbst Toni Brunners Name (45) wird ins Spiel gebracht. Doch auch die Nennung von Röstis Vorgänger als Parteipräsident zeigt eher die Misere der SVP, als dass ein Comeback ernsthaft vor der Tür stünde. Schliesslich sitzt der einstige St. Galler Nationalrat genauso wenig im Bundesparlament wie Amstutz. Selbst mit einem Stabschef wie Nationalrat Grüter an der Seite scheint es unumgänglich, dass der SVP-Präsident im Parlament sitzt.