«Schon geimpft?» Die Frage hört man derzeit täglich, beim Kaffee mit der Freundin, in der Umkleidekabine des Sportvereins oder auf dem Weg zur Arbeit. Das Bundesamt für Gesundheit strebt eine Impfbereitschaft von 75 Prozent an. Ein paar Bundesräte gingen mit gutem Beispiel voran. Auch viele Politikerinnen wollen ein Vorbild sein.
Doch wie steht es tatsächlich um die Impfbereitschaft in unserem Parlament? Blick wollte es genau wissen und fragte alle 246 Parlamentarier und Parlamentarierinnen. 156 antworteten, bei weiteren 27 konnte die Impfwilligkeit in Gesprächen erfragt werden. Somit kamen Daten von knapp drei Viertel aller Parlamentarier zusammen.
Viele sind schon geimpft
Das Resultat: Das Parlament ist piks-willig. 168 äusserten sich positiv zur Impfung. Nur zehn möchten sich nicht impfen lassen. Würde man nur die Auskunftsfreudigen zählen, läge die Impfbereitschaft bei rekordverdächtigen 94 Prozent!
Zählt man die 63 Auskunftsverweigerer hinzu und geht davon aus, dass von denen nur die Hälfte den Arm hinhält, ergibt dann immer noch eine Impfbereitschaft von 82 Prozent.
Die meisten haben ihren Impfwillen bereits in die Tat umgesetzt. 74 Prozent der impfbereiten National- und Ständeräte haben den ersten Piks schon erhalten, 35 Prozent sind bereits doppelt geimpft. Das entspricht etwa dem Impftempo der breiten Bevölkerung. Allgemein ist es vielen Parlamentariern wichtig zu betonen, keine Vorzugsbehandlung erhalten zu haben. Niemand will den Anschein erwecken, sich vorzudrängeln. «Für mich war immer klar: Ich lasse mich impfen, sobald ich dran bin», sagt beispielsweise die Basler SP-Nationalrätin Sarah Wyss (32). Sie selbst könne ja nicht Wasser predigen und Wein trinken.
Walliser vertraut dem Walliser Impfstoff nicht
Apropos Wein: Von den zehn impfunwilligen Parlamentariern stammt nur einer aus der Westschweiz. «Ich habe kein Vertrauen in den Impfstoff oder in zumindest jenen, der aktuell in der Schweiz hergestellt wird», sagt ausgerechnet der Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor (57). Der Impfstoff würde bereits massenhaft hergestellt, doch laut Addor sollte man eigentlich erst in der Phase der klinischen Studien sein. In diese Richtung geht auch SVP-Nationalrat Andreas Glarner (58). Er sei genesen und weil die «Menschenversuche» noch nicht abgeschlossen seien, lasse er sich voraussichtlich nicht impfen.
Addor und Glarner befinden sich in ihrer Partei in bester Gesellschaft: Neun der zehn bekennenden Impfablehnern stammen aus der SVP. Rechnet man analog wie oben, ergibt es eine Bereitschaft von 63 Prozent in der grössten Bundeshausfraktion. Liesse sich keiner der SVPler, die nicht geantwortet haben, impfen, sänke die Impfbereitschaft auf nur gerade 40 Prozent.
SVP setzt auf Eigenverantwortung
In allen anderen Fraktionen ist die Impfbereitschaft höher, sie liegt zwischen 84 Prozent bei den Grünen und 91 Prozent in der GLP.
Die Impfunwilligen geben unterschiedliche Gründe an. «Meiner Ansicht nach ist das Risiko für Geimpfte grösser als für Gesunde. Die zahlreichen erheblichen kurzfristigen Nebenwirkungen werden leider salopp unter Verschluss gehalten», sagt der Berner EDU-Nationalrat Andreas Gafner (50). «Ungewiss sind auch die Langzeitfolgen, die logischerweise noch unerforscht sind.» Aus diesem Grund achte er auf Bewegung, um sein Immunsystem zu stärken.
Die Aargauer SVP-Nationalrätin Martina Bircher (37) sagt, sie stehe «für Eigen- und Selbstverantwortung», eine Impfung als Bürgerpflicht zu bezeichnen, widerspreche ihrer «politischen und ethischen Überzeugung». Andere sagen wiederum, sie wollten sich nicht vordrängen.
Frauen etwas impffreudiger
Einen Piks-Graben gibt es nicht nur zwischen den Parteien, sondern auch beim Geschlecht. Unter den zehn impfunwilligen Parlamentariern sind vier Frauen und sechs Männer. Da bestätigt auch das Bild auf Ganze: Die Impfbereitschaft bei den Parlamentarierinnen liegt im Schnitt bei 88, bei den Parlamentariern bei 78 Prozent.
Die Impfbereitschaft im National- und Ständerat ist hingegen fast gleich gross, auch Deutschschweiz (82 Prozent) und Romandie (84 Prozent) unterscheiden sich kaum. Einzig die italienische Schweiz schwingt mit 90 Prozent obenaus.