«EDA kuschelt mit Diktator»
Ignazio Cassis verärgert Armenien-Freunde

Die Schweiz zeigt sich «zutiefst besorgt» wegen der Eskalation in Bergkarabach. Das reicht nicht, findet Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt. Denn Aserbaidschan fülle mit dem Energieriesen Socar von der Schweiz aus die Kriegskasse.
Publiziert: 24.09.2023 um 15:45 Uhr
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Aktualisiert: 25.09.2023 um 10:55 Uhr
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Aussenminister Cassis und die Schweizer Botschafterin Baeriswyl im Uno-Sicherheitsrat (Archivbild vom Mai).
Foto: AP
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Armenien ist ein leidgeplagtes Land, zutiefst traumatisiert seit dem Völkermord durch die Türken vor über hundert Jahren. Am Dienstag begann Aserbaidschan eine Militäroperation in Bergkarabach, einer mehrheitlich von Armeniern besiedelten Provinz. Nur einen Tag später ergaben sich die Karabach-Armenier. Aserbaidschan wittert Morgenluft. Armeniens einstige Schutzmacht Russland ist durch den Ukraine-Krieg massiv geschwächt. Umso stärker ist Aserbaidschans engster Verbündeter, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (69). Seit langem sehen sich Ankara und Baku als «eine Nation mit zwei Staaten».

Pascale Baeriswyl «zutiefst besorgt»

Die französische Aussenministerin Catherine Colonna (67) sagte in New York: «Frankreich verurteilt aufs Schärfste die Einleitung einer Militäroperation in Bergkarabach durch Aserbaidschan.»

Und die Schweiz? Sie verurteilt nicht, sondern ist «zutiefst besorgt», wie die Schweizer Uno-Botschafterin Pascale Baeriswyl (55) am Donnerstag in einer Dringlichkeitssitzung des Uno-Sicherheitsrats in New York (USA) sagte.

Gute Dienste? Armenien schweigt

Aussenminister Ignazio Cassis (62) traf diese Woche am Rande der Uno-Generalversammlung in New York die Aussenminister von Armenien und Aserbaidschan, Ararat Mirsojan (43) und Jeyhun Bayramov (50). «Ein Ende der Feindseligkeiten, Deeskalation und der Schutz der Zivilbevölkerung sind entscheidend. Die Schweiz ist bereit, zu Dialog und nachhaltigem Frieden beizutragen, wenn die Parteien einverstanden sind», schrieb Cassis auf X.

Offenbar will die Schweiz ihre Guten Dienste anbieten. Ein Angebot, das nach aussen bislang unerwidert blieb. Eine Sprecherin des armenischen Aussenministers wollte sich gegenüber SonntagsBlick nicht äussern.

Kritik am Schweizer Socar-Geschäft

Cassis’ Kurs sorgt bei der armenischen Diaspora in der Schweiz für Empörung. Am Samstag kam es auf dem Münsterplatz in Bern zu einer Kundgebung. «Armenien möchte Frieden, Aserbaidschan Krieg», war auf einem Transparent zu lesen. Ein anderes Transparent wies auf die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Aserbaidschan und der Schweiz hin: Die staatliche Energiegesellschaft Socar betreibt von Genf aus ihr Europageschäft.

Zu Cassis’ schärfsten Kritikern in der Armenien-Frage gehört Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (47). «Was das Regime in Baku betreibt, ist ein Völkermord. Das Aussendepartement (EDA) ziert sich, das so zu benennen und kuschelt so mit dem Diktator», sagt Müller-Altermatt zu SonntagsBlick. Zwar habe sich die Schweiz im Sicherheitsrat dafür starkgemacht, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. «Das ist aber zynisch, wenn man bedenkt, dass das Geld, mit dem die Armenier bombardiert werden, in der Schweiz erwirtschaftet wird. Es braucht Sanktionen gegen Aserbaidschan. Worte werden dem blutrünstigen Diktator nicht Einhalt gebieten.» Altermatt ist überzeugt: «Die Armenier brauchen internationalen Schutz, sonst werden sie massakriert. Dass die Schweiz nicht explizit diesen Schutz verlangt, ist unverständlich.»

«Anwendung von Gewalt nicht akzeptabel»

Das EDA weist die Kritik zurück: «Die Schweiz hat unterstrichen, dass die Anwendung von Gewalt zur Lösung von Konflikten nicht akzeptabel ist.» Die Schweiz respektiere das Völkerrecht und damit die territoriale Integrität Aserbaidschans. Und sie fordere, dass die Rechte von Minderheiten geschützt und die Rechte der Armenierinnen und Armenier in Bergkarabach respektiert werden.

Sanktionen könne der Bundesrat nur durchsetzen, wenn sie von der Uno, der OSZE oder von wichtigen Handelspartnern wie der Europäischen Union beschlossen würden. «Im Moment liegen keine Beschlüsse vor, welche im Zusammenhang mit der jetzigen Situation rund um Nagorno-Karabach stehen.»

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