Drohnen-Debakel sorgt für Frust im Parlament
«Wir sind mit unserem Latein langsam am Ende»

Seit zehn Jahren ringt das Verteidigungsdepartement mit neuen Aufklärungsdrohnen, die noch immer nicht einsatzbereit sind. Auf Kritik der Finanzkontrolle folgt Ernüchterung im Parlament.
Publiziert: 23.01.2025 um 18:13 Uhr
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Aktualisiert: 23.01.2025 um 18:15 Uhr
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Israelische Aufklärungsdrohnen sollten eigentlich schon seit 2020 den Schweizer Grenzraum überwachen.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Drohnenprojekt der Armee in Schieflage, Parlament frustriert über Verzögerungen
  • VBS versucht Probleme zu verheimlichen, Parlamentarier fordern Konsequenzen
  • Bei sieben Rüstungsvorhaben harzt es, Gesamtkosten: 19 Milliarden Franken
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Der Frust im Parlament sitzt mittlerweile tief. Denn es ist immer wieder dasselbe: Rüstungsvorhaben verzögern sich um Jahre und werden viele Millionen teurer als geplant. Wenn sie denn überhaupt je zum Fliegen kommen!

Frustrierend findet das FDP-Ständerat Josef Dittli (67). «Es läuft im Verteidigungsdepartement immer nach dem gleichen Muster ab: Erst will man von Problemen nichts wissen, und nach ein paar Wochen versucht man dann, die Wogen zu glätten», doppelt SVP-Sicherheitspolitiker Thomas Hurter (61) nach.

«VBS versucht, alle Probleme unter Deckel zu halten»

Das sieht SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf (56) ähnlich. «Das VBS versucht, immer alle Probleme unter dem Deckel zu halten, bis es nicht mehr geht», sagt die Präsidentin der nationalrätlichen Sicherheitskommission. «Wir sind mit unserem Latein langsam am Ende.»

Neustes Beispiel: Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) stellt dem für die Beschaffung israelischer Aufklärungsdrohnen zuständigen Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) ein miserables Zeugnis aus. Das Projekt sei in Schieflage wegen zu ambitionierter Ziele, mangelhafter Planung oder unzureichenden Managements. Sprich: Eigentlich läuft fast alles schief. Die EFK schliesst gar einen Übungsabbruch nicht aus.

Und: Das Drohnen-Debakel ist kein Einzelfall. Kürzlich hatte die Finanzdelegation des Parlaments der abtretenden Bundesrätin Viola Amherd (62) in einem geharnischten Brief gleich sieben grosse Rüstungs- und IT-Vorhaben aufgelistet, bei denen sie massive Probleme und Risiken erkennt. Gesamtkosten: satte 19 Milliarden Franken.

«Es bleibt schockierend»

Der EFK-Bericht decke sich in allen Punkten mit bisherigen Befürchtungen und Kenntnissen, sagen Seiler Graf und Dittli unisono. «Und doch bleibt es schockierend.»

Auch Rüstungschef Urs Loher hatte am Mittwoch vor den Medien beim Drohnen-Debakel durchaus Handlungsbedarf eingeräumt. Die Konsequenzen verschiedener Zusatzfunktionen seien offensichtlich unterschätzt worden. «Da waren wir zu gutgläubig», sagte Loher. Eine Lehre sei es denn auch, Rüstungsgüter künftig mehr «ab Stange» einzukaufen und weniger Sonderwünsche einzubringen.

«Natürlich ist es verrückt, für sechs Drohnen ein automatisches Ausweichsystem zu entwickeln», kommentiert etwa FDP-Nationalrat Heinz Theiler (54). «Das hätte man aber schon zu Beginn des Projekts merken sollen. Doch leider können wir das Rad nicht zurückdrehen, und so nahm die Misere ihren Lauf.»

«Das VBS soll endlich mit solchen Experimenten aufhören», fordert SVP-Sicherheitspolitiker Mauro Tuena (52). «Man will immer einen eigenen Swiss Finish, lässt eigentlich ganz neue Drohnen entwerfen und hat das unterschätzt», sagt auch Seiler Graf. «Das VBS tappt immer wieder in die gleiche Falle. Die Drohnen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel.»

«Weitermachen ist das kleinere Übel»

SVP-Tuena glaubt heute nicht mehr daran, dass die Drohnen mit allen versprochenen Zusatzfunktionen noch zum Fliegen kommen. An einen Einsatz zur Grenzüberwachung sei so kaum zu denken: «Das ist ein 300-Millionen-Debakel!» Sicherheitskommissions-Präsidentin Seiler Graf spricht von einer Tragödie – «und ich glaube nicht mehr an ein Happy End».

Allem Frust zum Trotz: Die meisten Parlamentarier sind gegen einen Abbruch. «Das wäre eine Katastrophe. Wir müssten dann wieder bei null starten, denn wir brauchen die Drohnen ja auf jeden Fall», sagt SVP-Ständerat Werner Salzmann (62). Auch für Theiler ist es für einen Abbruch zu spät. Der Bund und die israelische Herstellerfirma hätten schon zu viel Geld investiert. «Es gibt jetzt nur noch schlechte Varianten», findet Dittli. «Ein Abbruch wäre wohl die schlechteste, weil wir mit leeren Händen dastünden. Weitermachen ist das kleinere Übel.»

Nur SVP-Hurter könnte sich auch einen Abbruch vorstellen. Er habe Bundesrätin Amherd schon vor einem Jahr darauf angesprochen. Diese aber habe abgelehnt. Nun aber werde ein solcher wieder zum Thema. «Wir müssen jetzt endlich Nägel mit Köpfen machen, so oder so.»

«Unser Vertrauen ist massiv angeschlagen»

Noch wichtiger aber sei, dass das VBS endlich seine Lehren ziehe. «Beim neuen Bundesratsmitglied müssen künftige Rüstungsvorhaben oberste Priorität haben», betont Tuena. «Aber auch das Parlament wird sich nicht mehr mit Beschwichtigungen abspeisen lassen.» Dieses werde künftige Projekte mit allem Nachdruck begleiten und von Beginn weg kontrollieren, betont auch FDP-Ständerat Dittli. «Unser Vertrauen ist massiv angeschlagen.»

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