Auf einen Blick
- Krankenschwester tätowiert Brustwarzenvorhöfe nach Brustamputation für Krebspatientinnen
- Tattoos ermöglichen Rückkehr zur Normalität
- Oftmals bleiben Frauen auf den Kosten sitzen
Der Weg nach einer Brustamputation ist lang und schmerzhaft. Und am Ende davon steht Virginie Castagner (44). Sie ist Krankenschwester am Universitätsspital Lausanne (CHUV). Ihr Alltag eher ungewöhnlich: Sie tätowiert Brustwarzen.
«Die Kirsche auf dem Kuchen, nennen die Frauen ihre Tattoos manchmal», sagt Castagner. Der Besuch bei ihr sei für viele emotional: «Das Tattoo ist die letzte Etappe in der Heilung von Krebs. Viele Erinnerungen, die sie weggeschoben haben, kommen wieder hoch.» Das Tattoo sei auch die Rückkehr zur Normalität: «Sie trauen sich wieder, nach dem Sport zu duschen, ohne den Blick der anderen zu fürchten. Oder sie spüren wieder mehr Freiheit in ihrer Sexualität.»
Patientinnen bleiben auf den Kosten sitzen
Eigentlich muss das Brustwarzen-Tattoo von der Krankenkasse übernommen werden. In Realität ist das aber oft nicht der Fall. Patientinnen zahlen das Tattoo aus eigener Tasche – oder sie wissen erst gar nichts von der Möglichkeit.
Das Problem: Damit die Tätowierung vergütet wird, muss sie in einer Praxis oder im Spital von einem Arzt oder einer Pflegefachperson durchgeführt werden. Davon gibt es allerdings nur wenige. Grund ist, dass es dafür zu wenig Geld gibt. Mit dem aktuellen Tarif können Ärzte die Tätowierung nicht so verrechnen, dass es dem Aufwand entspricht.
Castagner ist nicht nur die einzige ausgebildete Tätowiererin am CHUV, sondern empfängt auch Patientinnen aus der ganzen Westschweiz: «Wir arbeiten mit den Spitälern Neuenburg, Freiburg, Wallis und Nyon. Patientinnen reisen sogar aus Genf an.»
Ärzte sind oft keine Tattoo-Künstler
Caroline Rindlisbacher (59) ist Präsidentin des Schweizerischen Fachverbands für Permanent Make-up. Für sie ist klar, dass sich etwas verändern muss. Wegen der tiefen Vergütung würden viele Spitäler die Patientinnen nicht genügend aufklären. Diese würden die Tätowierung dann entweder gar nicht vornehmen oder zu einem Privatstudio gehen, wo sie die Kosten selbst berappen müssten.
Ingrid Bregenzer (52) tätowiert Brustwarzen in einem Kosmetikgeschäft. Sie stelle auch immer wieder fest, dass Tätowierungen «unpassend» durchgeführt seien – etwa von ausländischen Ärzten ohne Ausbildung. Die Frauen kämen dann zu ihr, um das Tattoo in Form und Farbe auszubessern. «Ärzte sind zwar Künstler, wenn sie operieren. Aber für Farbe und Form einer Brustwarze braucht es ausgebildete Fachpersonen».
Momentan gäbe es auch keine übersichtlichen Regeln: Einige Krankenkassen würden die Behandlung aus gutem Willen ganz oder teilweise übernehmen – auch wenn sie bei Bregenzer durchgeführt wird, statt bei einem Arzt. Andere Krankenkassen hingegen nicht.
«Es gibt Kundinnen, die sich das leisten können, bei anderen liegt das nicht drin.» In diesen Fällen würden die Tattoos zum reduzierten Preis oder in ihrer Akademie in St. Gallen kostenlos angeboten.
Politik und Verbände werden aktiv
Nun könnte es gleich auf doppelter Linie vorwärtsgehen. Im Nationalrat wurde am Montag ein Vorstoss aus der Gesundheitskommission beschlossen, der mehr Geld für die Tätowierung verlangt. Der Bundesrat wurde nun damit beauftragt, «alle Massnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, damit die Tarmed-Tarife für die Tätowierung des Brustwarzenhofs überprüft und so angepasst werden».
Ausserdem will der Fachverband für Permanent Make-up noch vor Ende des Jahres beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) vorsprechen und sich für eine einheitliche Regelung einsetzen. Ziel soll eine offizielle Ausbildung sein, mit der man die Tätowierung dann bei der Krankenkasse abrechnen kann – auch wenn sie in Kosmetikgeschäften durchgeführt wird.
Virginie Castagner hofft, dass künftig alle Frauen, die das möchten, den Weg ins Tattoostudio finden. Denn mit dem Wiederaufbau der Brust würden sich die Frauen nach der Krankheit auch selbst wiederaufbauen.