Ist es grüner Grössenwahn? Politischer Realitätsverlust? Oder doch ein genialer Schachzug? Die Grünen kandidieren am 13. Dezember für den Bundesrat. Angreifen wollen sie nicht die SP, sondern die FDP.
Vielleicht ist es auch bloss Prinzipientreue. Die Grünen haben nämlich eine lange Reihe erfolgloser Bundesratskandidaturen hinter sich. Dabei ging es meist nicht darum, tatsächlich einen Sitz zu ergattern, sondern Grundsatzdebatten anzustossen – über die Frauenvertretung, die Zauberformel oder inhaltliche Themen.
Bereits 1987 und 1991 versuchten die Grünen, mit der Bernerin Leni Robert (87) den Frauenanteil im Bundesrat zu verbessern. Sie war zwar nicht offiziell nominiert, holte aber einige Proteststimmen. 1995 rüttelten mit Cécile Bühlmann (73), Ruth Gonseth (80), Pia Hollenstein (73) und Franziska Teuscher (65) gleich vier Frauen mit Protestkandidaturen an der bürgerlichen, männlichen Regierungsbastion – erfolglos, mit je bloss 12 bis 20 Stimmen.
SVP im Visier
Davon liess sich die Öko-Partei nicht entmutigen: Im Jahr 2000 wurde die Luzernerin Bühlmann für die Ersatzwahl für SVP-Mann Adolf Ogi (81) erstmals offiziell als grüne Sprengkandidatin nominiert. Sie machte bis zu 53 Stimmen – und musste erst nach dem vierten Wahlgang die Segel streichen. «Damals ging es weniger um den grünen Sitzanspruch als um die öffentliche Aufmerksamkeit, welche die Grünen damit erhielten», sagte Bühlmann einst im Blick dazu. «Wir konnten etwa in der ‹Arena› unsere Ideen unters Volk bringen.»
Die nächste Attacke auf die SVP erfolgte erst 2007 – gegen Christoph Blocher (83), der es 2003 in die Landesregierung geschafft hatte. Die Grünen nominierten den damaligen Ständerat Luc Recordon (68), um der Rechtspartei eins auszuwischen. Nachdem Eveline Widmer-Schlumpf (67) als Sprengkandidatin auf den Tisch kam, zogen die Grünen die Kandidatur zurück.
2008 schickte die Öko-Partei erneut Recordon ins Rennen. Diesmal, um den Sitz des abtretenden Samuel Schmid (76) zu erobern und die Wahl von SVP-Mann Ueli Maurer (72) zu verhindern. Statt für Recordon stimmten die Grünen dann aber für Hansjörg Walter (72), der von Mitte-links als Sprengkandidat wider Willen ins Spiel gebracht wurde. Der Coup misslang knapp.
Grün statt FDP
2010, als der freisinnige Bundesrat Hans-Rudolf Merz (80) zurücktrat, nahmen die Grünen mit Brigit Wyss (63) einen neuen Anlauf. Anstelle der SVP nahmen die Grünen diesmal aber die FDP ins Visier. Damals lagen sie wählermässig bei 9,6 Prozent und argumentierten, sie hätten «auch rein rechnerisch mehr Anspruch auf diesen Bundesratssitz als die FDP auf einen zweiten». Mit bloss 57 Stimmen für Wyss wurde die Öko-Partei erneut in den Senkel gestellt.
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Doch ihre Argumentationslinie ist seither dieselbe geblieben: Grün statt FDP! Allerdings blieb es nach den Wahlniederlagen von 2011 und 2015 ruhig. Das änderte sich mit der grünen Welle 2019 wieder, als die Grünen mit 13,2 Prozent zur viertstärksten Kraft aufstiegen. Das beflügelte die Partei, die Zauberformel erneut infrage zustellen. Mit 82 Stimmen vermochte die damalige Parteichefin Regula Rytz (61) als Herausforderin allerdings nur einen Achtungserfolg zu verbuchen.
Für eine erneute Kandidatur steht Rytz diesmal nicht zur Verfügung. Noch ist offen, wer das grüne Höllenfahrtkommando übernimmt. Klar ist nur: Das Scheitern ist auch diesmal programmiert!