Deshalb hat es die Begrenzungsinitiative schwer
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BLICK-Politikredaktor erklärt:Deshalb hat es die Begrenzungsinitiative schwer

Die Begrenzungsinitiative der SVP kommt nicht auf Touren
Die Zuwanderung sinkt, die Stimmung auch

Geht es um Zuwanderung, ist meist Zunder unter dem Dach. Nicht so diesmal bei der Begrenzungs-Initiative der SVP. Dabei ging es 2014 bei der Masseneinwanderungs-Initiative noch hoch zu und her. BLICK erklärt, warum es die SVP diesmal viel schwieriger hat als damals.
Publiziert: 13.09.2020 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 19.09.2020 um 09:40 Uhr
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Im Abstimmungskampf um die Masseneinwanderungs-Initiative gingen 2014 die Wogen hoch.
Foto: Keystone
Ruedi Studer und Noa Dibbasey

Die Stimmung im Publikum ist explosiv, der Saal brodelt, immer wieder gibt es Zwischenrufe oder Pfiffe – und SVP-Tribun Christoph Blocher (79) muss seine Anhängerschaft zur Zurückhaltung mahnen. Als BLICK im Januar 2014 in Zürich ein Podium zur Masseneinwanderungs-Initiative organisiert, gehen die Emotionen hoch.

Daran erinnert sich auch SP-Ständerat Paul Rechsteiner (68, SG), der mit auf der Bühne stand: «Der Saal war voll mit einer aus der halben Schweiz angereisten Auns-Truppe und die unsägliche Dichtestress-Debatte war auf ihrem Höhepunkt.»

Darum gehts am 27. September

Für die SVP ist es die Begrenzungs-Initiative, weil sie die Zuwanderung begrenzen soll. Die Gegner sprechen von der Kündigungs-Initiative, weil die SVP als letztes Mittel die Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der EU verlangt.

Konkret steht im Initiativtext:

• Die Schweiz regelt die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern eigenständig.
• Es dürfen keine neuen Abkommen abgeschlossen oder Verpflichtungen eingegangen werden, die Ausländern eine Personenfreizügigkeit gewähren.
• Bestehende Verträge oder Verpflichtungen dürfen nicht dahingehend angepasst werden, dass sie eine Personenfreizügigkeit erlauben.

Gemeinsam mit anderen Parteimitgliedern reicht SVP-Präsident Albert Rösti am 31. August 2018 die Begrenzungs-Initiative ein.

Für die SVP ist es die Begrenzungs-Initiative, weil sie die Zuwanderung begrenzen soll. Die Gegner sprechen von der Kündigungs-Initiative, weil die SVP als letztes Mittel die Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der EU verlangt.

Konkret steht im Initiativtext:

• Die Schweiz regelt die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern eigenständig.
• Es dürfen keine neuen Abkommen abgeschlossen oder Verpflichtungen eingegangen werden, die Ausländern eine Personenfreizügigkeit gewähren.
• Bestehende Verträge oder Verpflichtungen dürfen nicht dahingehend angepasst werden, dass sie eine Personenfreizügigkeit erlauben.

Die Stimmungslage im Saal war geradezu symptomatisch für einen Abstimmungskampf, der umso gehässiger geführt wurde, je näher der Urnengang rückte. Dieser endete mit einem Überraschungscoup der SVP: 50,3 Prozent sagten Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative. Die darauf folgende Umsetzungs-Diskussion sorgte ebenso für Emotionen.

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Fehlende Sälistimmung

Nun folgt mit der Begrenzungs-Initiative quasi der dritte Akt. Von Drama ist diesmal aber keine Spur zu sehen. Zu Corona-Zeiten ist die SVP «mit angezogener Handbremse» unterwegs, wie Blocher beklagt.

Doch quollen die Leserbriefspalten 2014 noch über, ist die Begrenzungs-Initiative diesmal nur ein Thema unter vielen. Und dass Bundesrat Ueli Maurer (69) im SVP-Extrablatt für die Initiative wirbt und damit das Kollegialitätsprinzip bricht, nimmt die politische Konkurrenz mit einem gelangweilte Schulterzucken zur Kenntnis. Der Abstimmungskampf bleibt überraschend flau.

«Die Sälistimmung kommt einfach nicht auf. Aber nicht nur wegen Corona, es fehlt auch an politischen Rampensäuen», sagt der damalige FDP-Chef Philipp Müller (68). Der Aargauer tourte damals durch das ganze Land. «Es ging hoch zu und her – wie bisher immer bei Zuwanderungsthemen», blickt er zurück.

Zuwanderung sorgt diesmal kaum für Zunder

Tempi passati. Da fragt man sich: Lähmt einfach die Corona-Krise das Land? Fehlt der Leidensdruck? BLICK beleuchtet fünf Bereiche, die in der Zuwanderungsdebatte normalerweise für Zunder sorgen.

Zuwanderung: Die Zuwanderung ist der grösste Dorn im Auge der SVP. Sie warnt unermüdlich vor einer Zehn-Millionen-Einwohner-Schweiz. Doch in ihrer Kernforderung hat die SVP bereits ein grosses Ziel erreicht: Stieg der Wanderungssaldo just im Jahr vor der Abstimmung 2014 auf einen Rekordwert von über 80'000 Personen, ging der Wert seither um gut ein Drittel zurück. Die Zuwanderung aus den EU/Efta-Ländern, die von der Kündigung der Personenfreizügigkeit betroffen wären, hat sich sogar fast halbiert. Was erstaunt: Dieses Jahr blieb die Zuwanderung trotz Corona-Krise stabil. Bei schlechter Wirtschaftslage geht die Immigration in der Regel zurück. Doch auch hier spielen spezielle Faktoren eine Rolle: In den ersten beiden Monaten war die Zuwanderung aufgrund der guten Konjunkturlage vergleichsweise hoch. Nach Ausbruch der Pandemie war die Auswanderung aber stark rückläufig.

Arbeitslosigkeit: Die steigende Arbeitslosigkeit ist der grösste Trumpf in der Hand der SVP. Einen Stich kann die damit dennoch nicht machen. Denn die letzten zehn Jahre zeigen, dass die Personenfreizügigkeit per se keine entscheidende Auswirkungen auf die Arbeitslosenzahlen hatte. Trotz Zuwanderung ging die Arbeitslosigkeit bis 2019 deutlich zurück. Der jüngste, massive Anstieg ist durch die Corona-Krise bedingt. Und der Ausländeranteil liegt dabei sogar leicht unter dem Wert von 2013.

Zersiedelung: Der Bauboom im Land nimmt scheinbar kein Ende. Gebaut wird aber vor allem in bestehenden Bauzonen. Die Zeiten der unbegrenzten Einzonungen ist vorbei. Das Stimmvolk hat gleich mehrfach sein Veto gegen die Zersiedelung des Landes eingelegt: 2012 sagte es Ja zur Zweitwohnungs-Initiative, 2013 Ja zum neuen Raumplanungsgesetz. Die Umsetzung zeigt erste Ergebnisse. Dass die Thematik dem Stimmvolk nun weniger unter den Nägeln brennt, zeigt 2019 das deutliche Nein zur Zersiedelungs-Initiative der Jungen Grünen. Zudem muss man die Relationen sehen: Nur gut acht Prozent der Schweiz sind Siedlungsfläche.

Mietpreise: Während die Konsumentenpreise seit 2010 leicht sanken, sind die Wohnungsmieten deutlich gestiegen. Allerdings wurden in den letzten Jahren zahlreiche neue Wohnungen gebaut, sodass die Mieter teils mit Rabatten und Geschenken gelockt wurden. Die Wohnungsnot in den Städten bleibt dennoch hoch. Allerdings nicht so hoch, dass das Stimmvolk nach deutlich stärkeren staatlichen Eingriffen verlangt: Anfang Jahr fiel die Initiative für «mehr bezahlbare Wohnungen» durch. Auch die SVP stellte sich dagegen, obwohl sie nun mit dem Mietpreis-Argument für ihr eigenes Begehren wirbt.

Stau: «Masslose Zuwanderung führt zum Verkehrskollaps», moniert die SVP heute wie schon 2014. Die Entwicklung der Staustunden auf dem Nationalstrassennetz gibt der Rechtspartei sogar recht. Seit 2010 haben sich die Staustunden so gut wie verdoppelt. Allerdings hängt der Anstieg auch mit einer verbesserten Datenerfassung zusammen. Generell lässt sich sagen: Der Verkehr wächst.

SP-Rechsteiner: Klarheit statt Gummiparagraf

Der Vergleich zeigt: Die Ausgangslage hat sich zuungunsten der SVP verändert. Besonders, was ihr Kernanliegen betrifft. «Die Zuwanderungsfrage hat sich massiv entschärft», meint Müller. «Vor allem geht die SVP auf die Falschen los: Die EU-Zuwanderer, die hier arbeiten und keine Probleme machen.» Für ihn ist klar, dass die Bilateralen im Volk gut verankert sind. «Es ist zumindest das diffuse Gefühl vorhanden, dass die Verträge unter dem Strich etwas Gutes sind.»

SP-Mann Rechsteiner sieht zudem beim Inhalt der Initiativen einen gewichtigen Unterschied. «Die Masseneinwanderungs-Initiative war sehr vage formuliert. Ein Gummiparagraf, der viel Interpretationsspielraum offenliess», sagt er. «Die Begrenzungs-Initiative hingegen führt unweigerlich zur Kündigung der bilateralen Verträge. Da bleibt kein Platz für Spielchen oder um ein Zeichen zu setzen.»

SVP-Friedli sieht Ja-Trend

Das Resultat schlägt sich auch in der jüngsten SRG-Umfrage nieder: Anfang August lehnten 61 Prozent der Stimmwilligen die Begrenzungs-Initiative ab, nur 35 Prozent sprachen sich dafür aus. Die SVP klammert sich an den Strohhalm, dass 2014 zum vergleichbaren Zeitpunkt auch nur 37 Prozent der Masseneinwanderungs-Initiative zustimmen wollten – und die Partei in einem fulminanten Schlussspurt das Rennen kehrte.

Nur: Von Wechselstimmung ist diesmal keine Spur. SVP-Kampagnenleiterin und Nationalrätin Esther Friedli (43, SG) sieht das naturgemäss anders. «Auch wenn der Abstimmungskampf wegen der Corona-Pandemie eine grosse Herausforderung ist, sehe ich einen Ja-Trend», sagt sie zu BLICK. «Dieser Frühling zeigte der Bevölkerung, dass in einer Krise jedes Land für sich schaut und die EU ein Schönwetterprojekt ist. Die eigenständige Steuerung der Zuwanderung ist wichtiger denn je.» Die Entlassungswelle stehe noch bevor, sagt sie. «Deshalb müssen wir das missglückte Experiment Personenfreizügigkeit jetzt beenden. Dafür werden wir bis zum Schluss voll motiviert kämpfen.»

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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