Der gefeierte Krisenmanager der ersten Welle hat seine Kraft verloren
Passivmitglied Alain Berset

Fachleute warnen: Um Horrorszenarien abzuwenden, sollten umgehend einschneidende Corona-Massnahmen verhängt werden. Doch Gesundheitsminister Alain Berset wartet zu. Den Ton gibt unterdessen ohnehin jemand anders an.
Publiziert: 24.10.2020 um 15:12 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2020 um 11:09 Uhr
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Gesundheitsminister Alain Berset gibt nicht mehr den Ton an.
Foto: Keystone
Pascal Tischhauser

Der Termin des Gesundheitsministers Alain Berset (48) mit den kantonalen Gesundheitsdirektoren am Donnerstag stand lange fest. Beobachter sind nicht erstaunt, dass Berset und der oberste Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger (45) danach nichts Handfestes verkündeten.

Den Lead im Kampf gegen Corona hat längst Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) übernommen. Bersets Genossin war es, welche die Notsitzung von letztem Sonntag einberief und für die Konsultation der Kantone sorgte.

Dank Sommaruga konnte die Landesregierung die Beschlüsse fällen, mit der gegen die zweite Welle vorgegangen wird. Und dank ihr sind weitergehende Regierungsbeschlüsse am Mittwoch wahrscheinlich.

Ohne Plan

Doch was ist mit dem Gesundheitsminister? «Berset hat keinen Plan», so das harte Urteil, das ein weiteres Bundesratsmitglied dieser Tage verbreitet. Und auch die Kantone kritisieren das Krisenmanagement des Romands als kaum noch vorhanden.

Doch für Berset und seine Leute ist es auch schwieriger geworden. Seit dem Abgang Daniel Kochs (65) läuft es alles andere als rund im Bundesamt für Gesundheit (BAG). Ein neuer «Mr. Corona» wurde nicht gefunden. Das BAG informiert nun vielstimmig, dafür unklar.

Und der Druck auf die BAG-Beamten ist riesig. Besonders belastend sei die Vielzahl besorgter Bürger, die sich ans Amt richtete. «Darunter auch Spinner», die vor Drohungen nicht zurückschreckten, wie Politiker berichten.

Parteifronten durcheinandergewürfelt

Berset hält zwar gern seinen Kopf in die Kameras, er hat ohne Koch aber nicht die Kraft, gegen die Pandemie aktiv zu werden. Die Kantone seien ohnehin näher dran, so seine Haltung. Sie sollen es richten. Anders Sommaruga, die bei Auftritten nicht so eloquent wirkt, aber sehr effektiv Bundesratsentscheide herbeiführt.

Die Pandemie hat daher auch die Parteifronten durcheinandergewürfelt. SVP-Regierungsräte loben Sommarugas Engagement. Und SP-Regierungsrätinnen surfen auf Ueli Maurers (69) SVP-Kurs, der am liebsten gar nichts tun will. Vieles ist derzeit ungewiss. Klar ist nur: Der eiserne Weg führt zur Walliser CVP. Wie Staatsratspräsident Christophe Darbellay (49) will auch Verteidigungsministerin Viola Amherd (58) hart durchgreifen.

Die Musik spielt woanders

Freizeit-Klavierspieler Berset muss derweil zusehen, wie die Musik anderswo spielt. Konzertpianistin Sommaruga gibt den Ton an. Wenn Berset gehofft hatte, sich auf die Rolle des Passivmitglieds im Bundesrat beschränken zu können, ist er am Freitag gescheitert. Weil Zürich als einwohnerreichster Kanton und mit hohen Corona-Zahlen nicht handelt, muss der Bundesrat am Mittwoch die Schraube anziehen. Berset wird wieder vor die Medien treten, vielleicht aber nur noch als Begleitung Sommarugas.

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