Jetzt gilt es ernst. Das Coronavirus verbreitet sich in der Schweiz in einem Höllentempo. Innert einer Woche haben sich die Fallzahlen verdoppelt. 5596 neue Ansteckungen hat das Bundesamt für Gesundheit am Mittwoch vermeldet – zudem 115 Spitaleinweisungen und elf neue Todesfälle.
Die Lage sei besorgniserregend und verschlechtere sich schnell, sagte Gesundheitsminister Alain Berset (48) am Mittwoch vor den Bundeshausmedien. Um einen Lockdown noch verhindern zu können, seien die Massnahmen nun wirklich konsequent einzuhalten. Homeoffice sei nicht nur ein Slogan. Und private Feste sollen verschoben werden.
Berset setzt Kantone unter Druck
«Im Moment läuft es bei uns in der Schweiz nicht gut», stellt Berset klar. «Wir müssen reagieren.» Bereits am Sonntag hatte der Bundesrat daher weitere Massnahmen wie eine allgemeine Maskenpflicht verordnet.
Der Gesundheitsminister sieht aber auch die Kantone in der Pflicht. Diese hätten bereits Einiges getan und haben teilweise gerade in diesen Tagen weitere Massnahmen beschlossen. Es bestehe aber noch mehr Spielraum.
Wenn Zahlen nicht sinken, folgen nächste Schritte
Die Zeit drängt. Mit den rasant steigenden Fallzahlen nimmt auch die Zahl der Hospitalisierungen zu. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, könnte das Schweizer Gesundheitssystem bald überlastet sein, so Berset.
Der Bundesrat drückt deshalb aufs Tempo: «Wenn die Massnahmen keine Wirkung zeigen, werden wir am kommenden Mittwoch strengere Massnahmen beschliessen», stellt Berset klar. Das würde öffentlich zugängliche Räume betreffen, aber auch Veranstaltungen und Versammlungen.
Bundesrat will Mini-Lockdown verhindern
«Die nächsten zwei, drei Wochen sind entscheidend für uns. Wir können das Virus nur gemeinsam bekämpfen», appelliert Berset an die Bevölkerung. Denn einen zeitlich befristeten Mini-Lockdown von beispielsweise zwei Wochen, wie ihn das Bundesamt für Gesundheit (BAG) dieser Tage zur Diskussion stellte, soll unbedingt verhindert werden.
Ein solcher «Circuitbreaker» – zu Deutsch «Überlastungsschalter» – würde bedeuten, dass alle Kontakte so weit wie möglich reduziert werden, um dem Virus den Boden zu entziehen. Heisst: Läden und andere Betriebe würden geschlossen, schlimmstenfalls sogar eine Ausgangssperre verhängt.
«Wir hoffen schwer, dass wir einschneidendere Massnahmen verhindern können», sagte Berset. «Wir müssen auch leben können.» Die Bevölkerung habe zudem im März gezeigt, dass sie durch eine schwierige Situation mit viel Eigenverantwortung gehen könne.
«Was zählt ist, was die Bevölkerung macht»
Eigenverantwortung ist auch jetzt wieder vermehrt gefragt. «Das Wichtige ist nicht, was wir Politiker beschliessen. Das interessiert das Virus nicht», so Berset. «Was zählt, ist, was die Bevölkerung macht.» Die Menschen müssten sich wieder konsequenter an die Schutzmassnahmen halten.
Der Bundesrat habe am Mittwoch bereits weitere Massnahmen diskutiert für nächste Woche, falls die neuen Massnahmen nicht wie gewünscht wirken sollten. «Wenn sich die Situation in den nächsten zwei, drei Tagen nicht brutal verschlechtert, werden wir erneute Schliessungen mit anderen Massnahmen verhindern», sagte Berset. Das sei auch das Ziel der bisherigen Massnahmen.
In der Politik passiere normalerweise nichts, wenn man untätig sei. Berset: «Wenn wir hier untätig sind, verschlechtert sich die Situation aber.» Man wolle nicht in eine Situation geraten, die ausweglos sei. Deshalb müsse man genau beobachten, wie sich die Zahlen entwickeln.
Ausgeschlossen seien derzeit einzig zwei Dinge: Für viele Monate einfach alles zu schliessen und zu schauen, was passiert – und nichts zu tun und zu schauen, was passiert. Dazwischen sei alles möglich. «Wir versuchen, so wenig Schaden wie möglich anzurichten, sowohl für die Gesundheit wie auch für die Wirtschaft», erklärte der Gesundheitsminister.