Die Zahl ist ein Schock: Gestern meldete das Bundesamt für Gesundheit 6634 neue Covid-19-Fälle – 26,5 Prozent der Getesteten sind mit dem Virus infiziert! Die Schweiz ist zum Corona-Hotspot geworden.
Martin Ackermann, Präsident der wissenschaftlichen Corona-Taskforce, wandte sich am Nachmittag mit folgendem Lagebericht an die Nation:
- Neuinfektionen, Hospitalisierungen und Todesfälle verdoppeln sich jede Woche.
- Zwischen 5. und 18. November werden alle Intensivbetten belegt sein.
- Das Land gerät mit seinen Testkapazitäten ans Limit.
Ackermanns Appell: «Wir haben keine Zeit mehr, um abzuwarten.»
Die Schweiz muss nun mit aller Kraft zwei Szenarien verhindern: erstens eine Überlastung des Gesundheitssystems, in der nicht mehr alle schwer kranken Menschen behandelt werden könnten, zweitens einen erneuten Lockdown, der riesige wirtschaftliche Schäden mit sich bringen würde.
Eine Katastrophe wäre es, wenn die Menschen auf den Gängen der Spitäler sterben würden. Dann bräuchte es keinen Lockdown mehr: Das Land käme automatisch zum Stillstand!
Damit der Worst Case nicht eintritt, müssen wir jetzt alle auf Vergnügungen verzichten. Also Schluss mit Tausenden von Menschen in einer Hockeyhalle, mit dampfenden Tanzpartys in der Disco, mit allen nicht notwendigen Zusammenballungen von Infektionsrisiken – denn Schulen, Restaurants und der öffentliche Verkehr müssen mit strengen Schutzkonzepten weiter funktionieren können.
Selbstverständlich sollen Sportklubs, Barbetreiber, Discos und Caterer unterstützt werden, wenn sie erneut unverschuldet schliessen müssen – die Schweiz kann sich das leisten.
In ruhigeren Zeiten können wir froh sein, dass unser Staat unabhängig davon funktioniert, wer gerade Regierungsrat oder Bundesrat ist. Aber jetzt, wo wirklich Führung nötig wäre, fehlt sie.
Die Kantone verordnen derzeit unkoordiniert dies und das, kippen überfordert von oberlasch zu knallhart und wieder zurück ...
Der Mann, der jetzt die Aufgabe seines Lebens erfüllen könnte, heisst Alain Berset. Wieso nimmt der Gesundheitsminister die Dinge nicht in die Hand, findet Lösungen mit den Kantonen, trägt neue Ideen in den Bundesrat, macht vorwärts, und zwar sofort?
Das Virus wartet nicht, bis sich der träge Berner Betrieb in Bewegung setzt. Deshalb sollten wir nicht auf Bersets Erwachen warten, sondern selber handeln. Denn ein Fazit liegt bereits heute auf der Hand: Es liegt nicht an der Hartnäckigkeit des neuen Virus allein, dass die Schweiz vom Vorbild zum Corona-Hotspot geworden ist. Wir waren schlicht zu wenig diszipliniert! Auf dem Weg zurück zu einer vermeintlichen Normalität gingen vielfach die einfachsten Vorsichtsmassnahmen vergessen.
Vergangene Woche war ich im nahezu virenfreien Griechenland: Desinfizieren ist beim Betreten aller Gebäude ebenso Pflicht wie das Anlegen der Schutzmaske. Im Restaurant halten alle den grösstmöglichen Abstand, auf jedem Tisch stehen Flaschen mit Handreiniger, Frühstücksbuffets sind abgeschafft. Und was erlebe ich – zurück in der Schweiz – bei meinem ersten Einkauf? Am Eingang zum Coop ist das Desinfektionsmittel leer …
Wir müssen diese zweite Welle überwinden – und gemeinsam können wir das auch. Denn eine Gewissheit gibt es: Keine Pandemie dauert ewig. Je klüger wir handeln, desto schneller ist sie vorbei.