Das Risiko einer Strommangellage sei real und gross, sagte Michael Frank, Direktor des Verbands der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE). Deshalb müssten schon heute alle einen Beitrag leisten und weniger Strom verbrauchen. «Jede Kilowattstunde zählt», so Frank. Stromsparen könne die Bevölkerung zum Beispiel bereits jetzt durch eine Reduktion des Warmwasserverbrauchs oder dann ab dem Herbst durch weniger Heizen. Doch noch lassen sich die Schweizerinnen und Schweizer durch die gestiegenen Preise nicht verunsichern. Im Gegensatz zu Deutschland sei der Stromverbrauch nicht zurückgegangen.
Falls es im Winter dann aber doch zu einer Gas- oder Strommangellage kommt, hat der Bund einen Plan, wie er vorgehen will. Diesen erläuterten die Energie-Experten der Öffentlichkeit am Dienstag.
Rationalisierung droht erst im Ernstfall
Als Erstes setzt der Bundesrat auf Sparappelle: Schon wenn jeder und jede einzelne die Heiztemperatur reduziere, habe dies eine Wirkung, sagte Bastian Schwark, Leiter des Fachbereichs Energie bei der wirtschaftlichen Landesversorgung. Die Heizung nur ein Grad kälter einzustellen, mache schon etwas aus.
Man erwarte, dass sich durch diese Appelle der Gasverbrauch in der Schweiz um ungefähr fünf Prozent senken liesse, so Schwark. Erst, wenn dies nicht reichen sollte, ist vorgesehen, die Umstellung sogenannter Zweistoffanlagen von Gas auf Öl anzuordnen. Im Bedarfsfall könnten ausserdem verbindliche Vorgaben zu Temperaturen in öffentlichen Gebäuden oder Büros gemacht werden.
Entsprechende Vorschläge zuhanden des Bundesrats seien derzeit in Arbeit. Eine Kontingentierung – die vierte Stufe des Plans – sei nur vorgesehen, wenn die anderen Massnahmen ausgeschöpft seien und nicht genug Wirkung erzielten.
Ähnliche Massnahmen sind auch beim Strom vorgesehen.
«Alle werden stark betroffen sein»
Gemäss Urs Meister, Geschäftsführer der eidgenössischen Elektrizitätskommission (Elcom) ist die Versorgungssicherheit der Schweiz derzeit gegeben. Aufgrund des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen möglichen Unterbrechung der Gaslieferungen in Europa sowie den stillstehenden Kernkraftwerken in Frankreich könne die Stromversorgung im kommenden Winter aber angespannt sein.
Wenn weiterhin Gas aus Russland nach Europa fliesse, schätze er die Gefahr einer Mangellage eher als gering ein. «Wenn der Winter aber sehr kalt wird, wird der Stromverbrauch in ganz Europa ansteigen.» Besonders Frankreich, das viele Elektroheizungen habe, brauche dann viel Strom. Dann könnte auch der Schweiz ein Mangel drohen.
Es sei falsch, nun in Panik zu verfallen, sagt Michael Frank. «Doch kommt die Krise, werden wir alle stark betroffen sein.»