Der abtretende Grünen-Chef Balthasar Glättli im Porträt
Glättli ging es stets auch um die grossen Fragen

Mit Balthasar Glättli gibt ein profilierter Umwelt- und Netzpolitiker das Präsidium der Grünen ab. Dem Zürcher Nationalrat waren Grundsätzliches und Reflexion stets ebenso wichtig wie das politische Tagesgeschäft.
Publiziert: 14.11.2023 um 15:21 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2023 um 10:31 Uhr
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Balthasar Glättli tritt nicht erneut zur Wahl als Präsident der Grünen an.
Foto: keystone-sda.ch

Balthasar Glättli gehört in der Bundespolitik seit längerem zu den prägenden Persönlichkeiten. Vor seiner Wahl zum Grünen-Präsidenten war er während rund sieben Jahren Fraktionspräsident der Partei. Im Nationalrat gehört er der wichtigen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-N) an.

An die Spitze der Grünen kam Glättli mitten in der Corona-Pandemie – im Juni 2020. Als erster Parteipräsident der Schweiz wurde er live im Internet gewählt – was durchaus zu seinem Werdegang passte.

Zunächst ein Netzpolitiker

Denn in den 90er-Jahren hatte Glättli ein eigenes Internet-Beratungsunternehmen gegründet. Auch im Bundesparlament machte er sich zunächst als Netzpolitiker einen Namen. So forderte er als erster nationaler Politiker die Festschreibung der Netzneutralität.

Für Aufsehen sorgte er, als er 2014 für eine Visualisierung der Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz seine Metadaten aus sechs Monaten Überwachung zur Verfügung stellte. Entschieden warnte er zudem vor möglichen negativen Folgen für die Demokratie durch das E-Voting.

Als erstes von vier Kernanliegen nennt Glättli auf seiner Website allerdings ein anderes Thema – den Kampf gegen die Klimaerwärmung und ihre negativen Folgen. Klimaerhitzung, Verlust an Biodiversität und Umweltzerstörung bezeichnet er dort als die Herausforderungen seiner Generation schlechthin.

Dazu passen die Worte, mit denen der 1972 geborene Politiker im August den Nationalratswahlkampf der Grünen lancierte: «Wenn alles so bleibt, wie es ist, bleibt bald nichts mehr, wie es ist», sagte er damals.

Der Zweifler

Schwerpunkte setzt Glättli auch beim sozialen Ausgleich – und dem Schutz der Grundrechte. Ziel müsse eine Wirtschaft sein, welche die Wohlfahrt aller ins Zentrum stelle, schreibt er. Und dass Demokratie nicht eine Diktatur der Mehrheit bedeute.

Er sei ein Mensch, der oft zweifle, sagte Glättli am Dienstag, als er seinen Rücktritt verkündete. Dies sei in der Rolle des Parteipräsidenten nicht immer von Vorteil gewesen.

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Zur Charaktereigenschaft des Zweifelns passt, dass der abtretende Grünen-Präsident nach der Matura zunächst Philosophie studierte. Danach arbeitete er je sieben Jahre im IT-Bereich und als Geschäftsführer der migrationspolitischen Organisation Solidarité sans frontières. Zudem engagierte er sich bis im vergangenen Sommer im Mieterinnen- und Mieterverband, unter anderem als dessen Präsident.

Politisches Handeln habe sei Leben schon früh geprägt, schreibt Glättli in einem Porträt auf seiner Website. Bereits in der Kantonsschule war er politisch aktiv, und in seiner Gemeinde gründete er als Jugendlicher den Verein «wum – welt umwelt mitwelt».

Ein zweites Leben

Seine politische Karriere begann er als Mitglied im Stadtzürcher Gemeindeparlament. Er wurde dort als jüngstes Mitglied gewählt und war später jahrelang Fraktionspräsident der Grünen/Alternativen Liste. 2011 schaffte Glättli die Wahl in den Nationalrat, Ende 2013 wählte ihn die Grüne Fraktion der Bundesversammlung zu ihrem Präsidenten.

Geboren wurde Glättli 1972 als erster Sohn eines Lehrers und einer Lehrerin. Die Familie lebte damals in Wolfhausen im Zürcher Oberland. Ein prägendes Erlebnis war eine Leukämiekrankheit im Kindesalter. «Das Geschenk eines zweiten Lebens bringt ihm das Gefühl, eine Verpflichtung zu haben», wurde seine Ehefrau, die Zürcher SP-Nationalrätin Min Li Marti, vor einigen Jahren in der «NZZ am Sonntag» zitiert. Mit ihr und der gemeinsamen Tochter lebt er in Zürich-West. (SDA)

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