Knall bei den Grünen: Parteipräsident Balthasar Glättli (51) tritt ab. Er stellt sich an der nächsten Delegiertenversammlung im April 2024 nicht mehr zur Wahl. Das sagte Glättli am Dienstag dem Radio SRF.
Er habe bereits am Tag nach der Wahlschlappe entschieden, nicht mehr anzutreten, so der 51-Jährige. «Ich bin das Gesicht dieser Niederlage. Die Grünen haben es verdient, mit einem neuen Gesicht in einen neuen Aufschwung starten zu können.»
«Oben leuchten, unten heranpinkeln»
Es sei wie im Fussball, so Glättli. Der Trainer sei nicht an allem schuld. Manchmal aber brauche es den Wechsel trotzdem. Ein Parteipräsident sei wie eine Strassenlaterne. «Oben muss man leuchten, unten wird herangepinkelt.» Er habe aber nicht allein alles falsch gemacht.
Eigentlich habe er seinen Rückzug erst nach den Bundesratswahlen bekannt geben wollen. Nun aber sei die Nachricht bereits durchgesickert.
Glättli könnte sich als seine Nachfolger auch ein Duo vorstellen. Jünger und weiblicher solle die Parteispitze werden. «Ich hoffe natürlich, dass es auch Frauen gibt, die sich für dieses Amt zur Verfügung stellen.»
Grüne setzen Findungskommission ein
Seine Partei lobt den abtretenden Präsidenten in einer Medienmitteilung. Glättli habe die Partei ein Jahrzehnt lang «massgeblich geprägt». Als grossen Erfolg wird das angenommene Klimaschutzgesetz erwähnt. Während seiner Amtszeit seien die Grünen stärker gewachsen als je zuvor. Von 10'000 auf «weit über 14'000 Mitglieder».
Um einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden, habe man bereits eine Findungskommission eingesetzt. «Zur Diskussion steht auch ein Co-Präsidium.» Ein solches Co-Präsidium hat die SP bislang als einzige grosse Partei.
Schneller Aufstieg
Die nationale Politbühne betrat Glättli 2011. Es folgte ein schneller Aufstieg. Bereits 2013 war er Fraktionspräsident, 2019 brachte er als Co-Wahlkampfleiter die Grüne Welle ins Rollen. Und ab 2020 amtete er als Parteipräsident. In den kantonalen Parlamenten konnten die Grünen weiter zulegen – zumindest bis Ende 2022. Im darauffolgenden Jahr haben die Grünen dann in grossen Kantonen wie Zürich verloren.
Auf nationaler Ebene mussten die Grünen 2021 einen grossen Rückschlag einstecken, als das Volk das CO2-Gesetz ablehnte. 2023 stimmte es dafür dem Klimaschutzgesetz zu, für das Glättli geweibelt hat. An den Wahlen im Oktober schliesslich die grosse Schlappe: Die Grünen verlieren fünf Sitze im Nationalrat.
Am vergangenen Sonntag das nächste Debakel. In Genf verpasste Lisa Mazzone (35) als junge Hoffnungsträgerin der Partei die Wiederwahl in den Ständerat und wurde abgewählt. Zudem konnte Raphaël Mahaim (39) in der Waadt den Sitz der abtretenden Adèle Thorens (51) nicht verteidigen.
Glättli ist mit der SP-Nationalrätin Min Li Marti (49) verheiratet und hat eine Tochter. Vielleicht hat er nun mehr Zeit für sie oder für sein Buchprojekt. Denn es ist ein Wunsch von ihm, einmal eine Erzählung zu verfassen, wie er der «NZZ» kürzlich verraten hat.
Der Politik bleibt er jedoch erhalten. In einer Nachricht an die Parteimitglieder schreibt Glättli: «Wir Grünen werden die nächsten vier Jahre engagiert politisieren – auch ich, als bestgewählter grüner Nationalrat aus Zürich.» (bro/rba/zis)