Der Traum ist geplatzt: 2025 hätte Lisa Mazzone (35) als erste Grüne überhaupt das Ständeratspräsidium übernehmen sollen. Doch mit ihrer Abwahl ist klar, dass sie in der Wintersession nicht zur ersten Vizepräsidentin gewählt werden kann. Noch schlimmer für die Partei: Der grüne Anspruch ist nun grundsätzlich infrage gestellt.
Die Grünen stellen mit Maya Graf (61, BL), Céline Vara (39, NE) und Mathias Zopfi (39, GL) nämlich nur noch drei Standesvertreter. Formell bilden sie damit zwar weiterhin eine Gruppe. Doch für einen gesicherten Sitz im Ständeratsbüro braucht es eine Gruppenstärke von fünf Mitgliedern – und die ist vorerst futsch. Diese könnten sie nur noch verteidigen, wenn Greta Gysin (40) kommenden Sonntag im Tessin die Ständeratswahl schaffen würde, und sich eine allfällige GLP-Ständerätin Tiana Moser (44, ZH) dem Öko-Trupp anschliessen würde. So würde es für fünf Sitze reichen, die den Anspruch auf einen Bürositz und dereinst das Ständeratspräsidium quasi legitimieren. Für dieses Szenario braucht es aber ein Tessiner Wunder!
«Ohne Gruppenstärke kein Anspruch mehr»
Insbesondere in den Reihen der SVP ist klar, dass die grüne Lücke anderweitig gefüllt werden soll. «Wahlen müssen Konsequenzen haben», meint ein einflussreicher SVP-Nationalrat, der den Ständeräten aber nicht dreinreden will.
SVP-Gruppenchef Hannes Germann (67) hingegen macht klar: «Wenn die Grünen keine genügende Gruppenstärke mehr erreichen, haben sie auch keinen Anspruch mehr auf das Präsidium», so der Schaffhauser Ständerat. Zwar könnten sich die Grünen der SP anschliessen, dann müsse diese sich den grünen Sitz aber auch anrechnen lassen.
Allerdings seien zwei linke Ständeratspräsidien gleich hintereinander nicht gerechtfertigt, verweist Germann auf den Umstand, dass in der Wintersession SP-Ständerätin Eva Herzog (61, BS) Präsidentin wird. «Angesichts der politischen Verschiebungen wäre es am besten, wenn die Grünen nun verzichten würden und die aktuellen Stimmenzähler nachrücken würden.»
Auch aus FDP und Mitte kommen ähnlich Überlegungen. Das Präsidium sei «ad personam» vergeben. «Wenn man keine genügende Gruppenstärke hat, gibt es auch keinen Sitz», sagt ein Freisinniger. Allerdings müssten noch die zweiten Wahlgänge vom nächsten Sonntag abgewartet werden, damit ein definitives Bild vorhanden sei.
Grüne klammern sich an Strohhalm
An diesen Strohhalm klammern sich auch die Grünen. «Es ist noch zu früh für eine Diskussion, wir müssen den Wahlsonntag abwarten», sagt die grüne Ständerätin Céline Vara. Sie hofft auf einen grünen Erfolg im Tessin und einen GLP-Sieg in Zürich. «Werden die zwei Frauen gewählt, können wir weiterschauen.»
Ob sie selber in die Vizepräsidium-Lücke springen würde, lässt Vara vorerst noch offen. Auch Maya Graf und Mathias Zopfi halten sich diesbezüglich auf Anfrage noch bedeckt. Schaffen die Grünen die entscheidende Gruppenstärke aber nicht, bleibt wohl nur der Rückzug oder eine Kampfkandidatur.
In welche Richtung es geht, wollen die Grünen nächste Woche entscheiden. «Wir geben nun nochmals alles, damit wir eine genügend starke Gruppe bilden können», sagt Fraktionschefin Aline Trede (40, BE). «Ab nächstem Sonntag haben wir Gewissheit und werden mit den anderen Fraktionen schauen, wie die zukünftige Zusammensetzung aussieht.»
Caroni, Engler und Salzmann rücken auf
Verzichten die Grünen, würden FDP-Ständerat Andrea Caroni (43, AR) als erster Vizepräsident und Mitte-Ständerat Stefan Engler (63, GR) als zweiter Vizepräsident nachrutschen.
Eigentlicher Gewinner der Rochade wäre SVP-Ständerat Werner Salzmann (61, BE). War er bisher per 2028 als Ständeratspräsident vorgesehen, könnte er so schon 2027 den Bock besteigen. Damit müsste er bei den nationalen Wahlen 2027 nicht – wie nun bei Mazzone geschehen – als designierter Ständeratspräsident um eine Abwahl fürchten. Und er könnte ohne Druck entscheiden, ob in vier Jahren nochmals antreten will oder nicht.