Von der Leyen gratuliert Sommaruga
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Nach dem Nein zur BGI:Ist der Weg frei für das Rahmenabkommen?

Das sagt Brüssel nach dem Nein zur BGI
Von der Leyen gratuliert Sommaruga

Auch Brüssel schaute am Sonntag gebannt auf die Schweiz. Das deutliche Nein zur Begrenzungs-Initiative der SVP wertet EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als «positives Signal».
Publiziert: 28.09.2020 um 08:33 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2020 um 09:41 Uhr
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Ein Ja zur Begrenzungs-Initiative hätte das Ende der Bilateralen bedeutet. Jetzt kann die Diskussion ums Rahmenabkommen mit der EU weitergehen.
Foto: Keystone

Auch in Brüssel hat man den Abstimmungssonntag genau verfolgt. Denn ein Ja zur Begrenzungs-Initiative (BGI) hätte für die EU ebenfalls schwierige Verhandlungen über die Personenfreizügigkeit bedeutet. Mit über 61 Prozent Nein-Anteil aber sieht man die Beziehung stabilisiert.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (61) begrüsste das Ergebnis zur BGI denn auch. «Ich werte es als ein positives Signal», schrieb von der Leyen am Sonntag in einer Mitteilung. Sie werde schon bald Kontakt zu Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) aufnehmen. «Ich möchte ihr zu diesem klaren Ergebnis gratulieren.»

«Mehr als nur gute Partner»

Nun wolle man die Beziehung weiter festigen und vertiefen. Denn die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz hätten gezeigt, dass sie diese enge Bindung schätzten. Das Votum bekräftige «einen der Grundpfeiler unserer Beziehung: die auf Gegenseitigkeit beruhende Freiheit, sich in der Schweiz und in der EU frei zu bewegen, zu leben und zu arbeiten».

Auch CDU-Europaparlamentarier Andreas Schwab, Vorsitzender der Delegation des Europäischen Parlaments, sieht das Abstimmungsergebnis als «Beleg dafür, dass die Schweizer Bürger an der Zusammenarbeit mit der EU durchaus festhalten wollen. Die Schweiz und die EU sind mehr als nur sehr gute Partner».

Brüssel drückt aufs Tempo

Doch Schwab kam sogleich auf die Zukunft zu sprechen – und hier hat sich die Erwartungshaltung der EU nicht geändert. «Das Rahmenabkommen zwischen der EU und der Schweiz liegt aber noch immer vor uns. Es wurde über vier Jahre verhandelt und es sind strukturelle Kompromisse erzielt worden», so der Deutsche. «Wir wollen dieses Abkommen, weil es Rechtssicherheit schafft – für Europäer und Schweizer! Starke Beziehungen zur Schweiz sind im Interesse der EU und die Schweiz muss jetzt ihrer gewollten engen Kooperation mit der EU Rechnung tragen.»

Auch von der Leyen geht davon aus, dass der Bundesrat nun beim Rahmenabkommen zügig vorwärts macht. «Es geht um die Unterzeichnung und Ratifizierung des Internationalen Rahmenabkommens, das wir 2018 fertig ausgehandelt haben.» Diese Haltung habe sie im vergangenen Januar beim Treffen in Davos GE übermittelt. «Sie gilt unverändert noch heute.»

In der Schweiz wachsen die Widerstände

In der Tat heisst es, der Bundesrat wolle Brüssel schon im Oktober seine Vorschläge auf den Tisch legen. Denn aus Schweizer Sicht bestehen in vier Punkten noch dringender Klärungsbedarf:

  • Lohnschutz: Die EU will, dass die Schweiz ihre Richtlinien übernimmt, was den Schutz vor Lohndumping anbelangt. Doch diese gehen weniger weit als die derzeit in der Schweiz geltenden Regeln. Zum Beispiel würde die Anmeldefrist für ausländische Unternehmen verkürzt und es gäbe weniger Kontrollen. Für die Gewerkschaften kommt ein Entgegenkommen beim Lohnschutz nicht infrage. Sie wollen, dass das Thema komplett aus dem Abkommen ausgeklammert wird.

  • Unionsbürgerrichtlinie: In der Unionsbürgerrichtlinie legt die EU fest, welche Ansprüche EU-Bürger in anderen Staaten haben. Würde sie die Schweiz übernehmen, könnten EU-Bürger hierzulande beispielsweise schneller Sozialhilfe beziehen und Aufenthaltsbewilligungen könnten schwerer entzogen werden. Die EU wollte im Vertragstext festhalten, dass die Schweiz die Richtlinie innert einer bestimmten Frist übernimmt. Der Bundesrat hingegen wollte sie explizit vom Abkommen ausnehmen. Als Kompromiss wird die Unionsbürgerrichtlinie jetzt einfach gar nicht erwähnt. Es wird befürchtet, dass das früher oder später für die Schweiz zum Problem wird.

  • Staatliche Beihilfen: Unter staatlichen Beihilfen versteht die EU Steuererleichterungen und andere Vorteile, die der Staat gewissen Unternehmen gewährt. Diese sind in der EU im Grundsatz verboten, wenn sie den Wettbewerb verfälschen. In der Schweiz hingegen sind sie weit verbreitet – es geht zum Beispiel um Beiträge zur Tourismusförderung, Staatsgarantien für Kantonalbanken oder Subventionen für Wasserkraftwerke. Die Schweiz will in diesem Bereich das Rahmenabkommen präzisieren, damit solche Subventionierungen künftig nicht verboten werden.

  • Streitbeilegung: Was passiert, wenn sich die Schweiz und die EU in die Haare geraten? Die Antwort auf diese Frage ist ein zentraler Punkt des Rahmenabkommens. Vor einigen Jahren war es der grösste Zankapfel in den Diskussionen hierzulande – Stichwort «fremde Richter». Der Rahmenvertrag sieht vor, dass bei einer Auseinandersetzung ein Schiedsgericht zum Zug kommen würde. Geht es um EU-Recht, hätte allerdings der Europäische Gerichtshof das letzte Wort. Zwischenzeitlich war der Streit um die Streitbeilegung angesichts der obigen drei Problembereiche etwas in den Hintergrund gerückt. Doch nun ist er voll wieder da.

In der Schweiz wächst der Widerstand gegen diese Punkte – und eine mehrheitsfähige Lösung ist nicht in Sicht, wie BLICK schon vor der Abstimmung publik machte. Das heisst: So freundlich wie am Sonntag wird der Ton zwischen der EU und der Schweiz nicht bleiben. (sf)

Alle Ergebnisse der Eidgenössischen Abstimmungen vom 27. September gibt es hier.

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