«Das BJ macht keine Gefälligkeitsgutachten»
Bundesamt verteidigt umstrittenes EU-Gutachten

Der Direktor des Bundesamts für Justiz (BJ) Michael Schöll hat das Gutachten seines Amts zur Volksabstimmung über das Ergebnis der EU-Verhandlungen verteidigt. «Das BJ macht keine Gefälligkeitsgutachten», sagte er in einem Interview.
Publiziert: 13.07.2024 um 09:12 Uhr
Der Jurist Michael Schöll ist seit drei Jahren Direktor des Bundesamts für Justiz. (Archivbild)
Foto: PETER SCHNEIDER

Die Rechtsanalyse, die Ende Juni veröffentlicht wurde, kam zum Schuss, dass das Ergebnis der EU-Verhandlungen gemäss geltender Verfassung nicht dem obligatorischen, sondern nur dem fakultativen Referendum unterstellt werden kann. Somit würde das Volksmehr genügen, das Ständemehr wäre nicht erforderlich. Die Hürde für die EU-Vorlage bei einer Abstimmung wäre also tiefer. 

Ab der Deutlichkeit der juristischen Analyse zeigte sich Jurist Schöll im Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» vom Samstag selbst überrascht. Die Analyse habe aber eindeutig ergeben, dass es auf der Grundlage der Verfassung in dem Fall auch ausnahmsweise kein obligatorisches Staatsvertragsreferendum geben könne.

«Praktisch alle juristischen Argumente sprechen für diese Sichtweise», sagte Schöll. «Das hat offensichtlich Irritationen ausgelöst. Doch bisher hat mir niemand aufgezeigt, dass unser Gutachten Fehler oder Lücken aufweisen würde.»

Bundesrat will erst später entscheiden

Beim Gutachten handelt es sich um eine juristische und nicht um eine politische Einschätzung. In der Schweiz gibt es keine Instanz, die für alle Rechtsfragen verbindlich über die Auslegung der Verfassung entscheiden kann. Der Bundesrat will erst bei der Botschaft zum Verhandlungspaket mit der EU entscheiden, welchen Antrag er der Bundesversammlung stellen wird.

Die SVP, welche die Verhandlungen mit der EU grundsätzlich ablehnt, machte früher klar, dass sie eine Abstimmung mit Ständemehr für notwendig hält.

Das Ständemehr würde erfahrungsgemäss wohl den Gegnern des Rahmenabkommens helfen. So lehnten zum Beispiel 18 Kantone 1992 einen EWR-Beitritt ab, teilweise mit über 70 Prozent. Beim Volksmehr war es deutlich knapper, das Nein-Lager erreichte lediglich 50,3 Prozent. Bei der EWR-Abstimmung entschieden Volk und Stände, weil es von «überragender politischer und wirtschaftlicher Bedeutung für unser Land» sei, wie der Bundesrat damals schrieb – auch wenn er gleichzeitig zum Schluss kam, dass der Vertrag nicht dem obligatorischen Staatsvertragsreferendum unterstehe. Das Ständemehr war also freiwillig. 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?