Dana Zemp gegen ihren alten Chef
Von der Corona-Bekämpfung in den St. Galler Regierungsrat

In St. Gallen will mit Dana Zemp die ehemalige Kantonsärztin in die Regierung – während der Corona-Krise sorgte sie für Aufsehen.
Publiziert: 24.02.2024 um 15:31 Uhr
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Aktualisiert: 25.02.2024 um 19:27 Uhr
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Dana Zemp will in die St. Galler Regierung.
Foto: Keystone
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Im Jahreshoroskop von Dana Zemp (53) stand etwas von «beruflichen Veränderungen». Glück gehabt: Die SVP-Politikerin – Sternzeichen Wassermann – will am 3. März in den St. Galler Regierungsrat einziehen. Täglich liest sie ihr Horoskop. Ein gutes Omen sei das Horoskop aber trotzdem nicht. «Das steht ja jedes Jahr drin», sagt sie lachend.

Zemp ist im Kanton St. Gallen ein bekanntes Gesicht. Während der Corona-Pandemie beriet sie als Kantonsärztin die Regierung und nahm bei Medienkonferenzen teil, als unpopuläre Massnahmen verkündet wurden.

Bund hatte entschieden

Spricht man heute mit ihr über diese Zeit, fühlt sich Zemp in die falsche Rolle gedrängt. «Die Pandemiezeit war sehr schwer für uns alle. Angst und Wut beherrschten den Alltag. Es wurde ein falsches Bild unserer Entscheidungskompetenz vermittelt – diese lag stets auf der politischen Ebene», sagt sie. Der Kanton habe nur wenig Spielraum gehabt, zum Beispiel bei den Restaurant-Schliessungen.

Zemp befürwortete – zusammen mit dem Gesundheitsdirektor Bruno Damann (66) – einen vergleichsweise wenig einschneidenden Kurs. Sie musste sich dafür anhören, sie habe Tote in Kauf genommen. Dennoch protestierten die Massnahmengegner. Nun soll sie die St. Galler Bevölkerung für die SVP in die Regierung wählen.

Neumitglied will Regierungsrätin werden

Die SVP hat den frei werdenden Sitz des abtretenden Regierungsrats Stefan Kölliker (53) zu verteidigen. Gleichzeitig will die Partei einen zweiten Sitz holen. SP-Regierungsrat Fredy Fässler (64) tritt ebenfalls zurück. Darum portiert die SVP mit Christof Hartmann (47) gleich noch einen zweiten Kandidaten. Die SP versucht, ihren Sitz mit ihrer Fraktionspräsidentin Bettina Surber (42) zu verteidigen.

Bei dieser Ausgangslage wird es für Zemp anspruchsvoll, den Sitz zu holen. Hinzu kommt: Sie ist erst seit Oktober SVP-Mitglied. Vor 17 Jahren kandidierte sie für die damalige CVP für den Zürcher Kantonsrat. Ansonsten hat Dana Zemp unmittelbar keine politischen Erfahrungen: «Ich arbeite seit über 20 Jahren sehr eng mit der Politik zusammen, habe die meiste Zeit direkt an Regierungsrätinnen und Regierungsräte rapportiert und kenne die Verwaltung und die politischen Prozesse.»

Zur SVP habe sie die Sicherheitspolitik gebracht, erzählt sie. «Diese ist mir sehr wichtig und die SVP ist hier dezidierter als die Mitte-Partei.» In einem früheren Interview mit dem «St. Galler Tagblatt» sagte sie, sie schliesse aber nicht aus, dass auch eine Kandidatur für die Mitte-Partei denkbar gewesen wäre.

Aufgewachsen in Polen und Libyen

Die heutige SVPlerin ist in Polen und Libyen aufwachsen. Im Alter von elf Jahren ist sie in die Schweiz gekommen. «Ich möchte eine Botschafterin für die Integration sein», erklärt sie. «Integration ist für mich eine Form von Dankbarkeit dem Einwanderungsland gegenüber.» Sie habe noch nie eine Form von Fremdenfeindlichkeit in der Schweiz erlebt. Darum befürchte sie auch keine Nachteile bei den SVP-Wählerinnen und -Wählern.

Doch Zemp ist keine typische SVP-Politikerin. Vor zwei Jahren sagte sie gegenüber dem «St. Galler Tagblatt», dass sie im Kantonsarzt-Amt nur Frauen eingestellt habe. Es hätten sich nur Frauen beworben, erklärte sie sich später jedoch. Jetzt will sie sich nicht mehr zum Thema äussern. «Es wurde im Kantonsrat abschliessend behandelt und dennoch zerredet», sagt sie zu Blick.

Mit Cassis zusammengearbeitet

Doch wie ist Zemp bei der SVP gelandet? Zur Partei hätten sie SVP-Persönlichkeiten wie Ständerätin Esther Friedli (46) gebracht, so die Kandidatin. Sie kennt aber auch Politprominenz aus anderen Parteien recht gut. Mit FDP-Aussenminister Ignazio Cassis (62) hat sie im Kanton Tessin gar zusammengearbeitet. Wahlkampf-Tipps hat sie sich aber keine geholt. «Er weiss aber von meiner Kandidatur und freut sich, dass ich zur Demokratie in der Schweiz beitragen möchte.»

Ein Erfolg von Zemp wäre eine Überraschung – aber nicht unmöglich. Den Sitz des abtretenden Köllikers zu verteidigen, dürfte der SVP gelingen. Doch ihr Konkurrent Christof Hartmann sitzt bereits seit langem im Parlament und präsidierte die Finanzkommission, gilt als gut vernetzt. Doch vor kurzem musste er sich vor Gericht verantworten, weil er sein Amt missbraucht haben soll, als er Vize-Gemeindepräsident von Walenstadt SG war. Hartmann wurde freigesprochen, doch weil Berufung eingelegt wurde, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Damit die SVP zwei Sitze macht, muss sie entweder der SP den frei werdenden Sitz abluchsen oder ein bisheriger Regierungsrat abgewählt werden. Das ist zwar unwahrscheinlich. Doch sollte es zu einer Abwahl kommen, könnte es Gesundheitsdirektor Bruno Damann – der wegen seiner Spitalpolitik in der Kritik steht – treffen. Jener Mann, der mit Zemp an den Corona-Medienkonferenzen sass.

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