«Über intime Fragen mache ich mir keine Sorgen»
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Ritter will in den Bundesrat:«Über intime Fragen mache ich mir keine Sorgen»

Countdown bis Montag – ein Stimmungsbild
Wer fordert Markus Ritter heraus?

Als Landwirt kassierte Markus Ritter Millionen durch Subventionen und Direktzahlungen. Mit der SVP kommt er bestens aus. Und doch will ihn niemand in seiner Partei herausfordern.
Publiziert: 11:20 Uhr
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Aktualisiert: 11:48 Uhr
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Aktuell hat Bauernpräsident Markus Ritter keinen Gegenkandidaten.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Mitte-Partei sucht Bundesratskandidaten. Markus Ritter steht bisher allein im Ring
  • Mehrere potenzielle Kandidaten zögern
  • Ritter erhielt 2022 83'262 Franken Direktzahlungen für seinen Landwirtschaftsbetrieb
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Freitagabend in Thun BE: Die Mitte-Fraktion aus dem Bundeshaus tagt im Hotel Seepark, zum Znacht gibts Bœuf Stroganoff. In der Lobby geht es munter zu, aber das liegt an einer anderen Veranstaltung: Im selben Hotel ehrt die Stadt Thun an diesem Tag ihre Sportlerinnen und Sportler. So auch Christina Nigg (63), Ex-Boxweltmeisterin und Cheftrainerin im Leistungszentrum für olympisches Boxen in Thun. Nigg war die erste Schweizerin, die sich in einen Boxring wagte. Bei der Nachfolge von Bundesrätin Viola Amherd (62) ist es nicht ganz so spannend: Nach wie vor steht der mächtige Bauernlobbyist Markus Ritter (57) allein im Ring.

Während die Partei tagt, setzt sich in der Lobby ein Jugendlicher ans Klavier und spielt Chopins Fantaisie-Impromptu – als wolle er die Mitte motivieren: bitte mehr Fantasie, bitte mehr «bereit sein». Die Partei, die von einem zweiten Bundesratssitz träumt, hat Mühe, selbst für einen Sitz Kandidaten zu finden. Wo sind die Mitte-Frauen? Wo ist die urbane Schweiz?

Ständerätin Andrea Gmür (60) galt bis Freitagnachmittag als Hoffnungsträgerin der Mitte-Frauen – dann nahm sie sich aus dem Rennen. Medienanfragen beantwortet sie erst wieder von Dienstag an. Die Nationalrätinnen Nicole Barandun (56, ZH), Marie-France Roth Pasquier (56, FR) und Elisabeth Schneider-Schneiter (60, BL) wollen erst am Montag ihre Entscheidung bekannt geben.

«Wer jetzt antritt, muss ins VBS»

An der Hotelbar lässt sich Markus Ritter nicht blicken, ebenso wenig wie Parteichef Gerhard Pfister (62). Vor dem Hotel stehen Nationalrat Reto Nause (53) und Ständerätin Marianne Binder (66). Sie rauchen. Binder verweist auf ihre Rolle in der Findungskommission und schweigt. Nause glaubt, dass sich bis Montag weitere Kandidaten melden werden.

Die vielen Absagen führt er auf den bürgerlichen SVP-FDP-Block im Bundesrat und den «Dauerkrisenmodus im VBS aufgrund des Ukraine-Krieges» zurück. «Wer jetzt antritt, muss ins VBS. Die Mitte hat aber mehr Mandate als die FDP. Wenn Bundesrat Cassis aufhört, wird es zu einem Angriff auf dessen Sitz kommen. In ein paar Jahren ist das Bundesratsamt attraktiver. Und darauf warten jetzt manche.»

Fabio Regazzi (62) wünscht sich eine Auswahl: «Markus Ritter ist ein guter Kandidat. Aber es wäre wünschenswert, dass es kein Einer-Ticket gibt.» Der Tessiner Ständerat betont, dies sei seine private Meinung, nicht jene des Schweizerischen Gewerbeverbandes, den er präsidiert. «Der hat bislang gut mit Markus Ritter zusammengearbeitet, aber wir werden das Hearing abwarten, bis wir uns als Verband positionieren.»

Darbellay als Brachial-Shakespeare

Der Unterwalliser Nationalrat Benjamin Roduit (62) sagt zu Blick: «Alle warten darauf, wie sich Christophe Darbellay (53) am Sonntag entscheidet. Bis dahin wagt sich niemand aus der Deckung. Ich bin überzeugt, dass Markus Ritter am Ende nicht der einzige Kandidat sein wird.»

Ein Instagram-Vergleich zeigt, dass die ungewisse Ausgangslage unterschiedlich gehandhabt wird. Darbellay suchte am Freitag einen Kuhstall auf und spielte bei dieser Gelegenheit ein wenig holprig auf Shakespeare an: «To go or not to go? That is the question.» Aus dem Wallis ist zu hören, dass Darbellay nicht antreten werde, aber in einer Medienkonferenz am Sonntag noch einige Dividenden für seinen Staatsratswahlkampf herausholen möchte. Andere argumentieren, dass Ritter durchaus zu schlagen sei und Darbellay Blut geleckt habe.

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Elisabeth Schneider-Schneiter postete am Donnerstag Bilder von einer Kaffee-Kooperative in Nairobi (Kenia) – sie war dort auf Parlamentsreise; Marie-France Roth Pasquier veröffentlichte einen Gastbeitrag über das Kulturerbe des Schlosses Greyerz im Kanton Freiburg, Baranduns letzter Instagrampost datiert noch von Weihnachten.

Tiana Moser sagt ab

Gerüchte, wonach GLP-Ständerätin Tiana Moser (45) gegen Ritter antreten könnte, erweisen sich schnell als Nebelkerze: «Ich bin glücklich im Ständerat, der Sitz steht der Mitte zu», sagt Moser zu Blick.

Und Markus Ritter? Der zieht sein Ding durch und wird mit Argusaugen beobachtet. Beat Jans (60), damals Nationalrat und nicht Bundesrat, sagte vor Jahren in einem SRF-Film, CVP und SVP erfüllten den Bauern praktisch jeden Wunsch: «Das Parlament ist für den Bauernverband ein Selbstbedienungsladen geworden.»

Wie Blick mithilfe des Öffentlichkeitsgesetzes rekonstruierte, erhielt der Bauernpräsident im Jahr 2022 insgesamt 83'262 Franken Direktzahlungen. Inzwischen hat er den Hof seinen Söhnen Adrian und Daniel verkauft, für 2023 sind daher keine Zahlen mehr dokumentiert. Ritter geht davon aus, dass es die letzten zwei Jahrzehnte jährlich 80'000 Franken für seinen Betrieb gegeben hat, das wären rund 1,6 Millionen Franken – Subventionen nicht mitgerechnet. «Wir hatten einen Biobetrieb in der Bergzone 1 mit 28 Hektaren und über 20 Prozent Biodiversitätsförderfläche mit rund 200 Hochstammobstbäumen», sagt Ritter.

Ukraine soll Waffen erhalten

Auch Aussagen Ritters geraten jetzt erneut in den Fokus, die er vor den letzten Nationalratswahlen machte – etwa zur Energieversorgung. Auf die Frage, ob in der Schweiz neue Atomkraftwerke gebaut werden dürfen, antwortete er: «Eher ja. Ich bin für Technologieoffenheit. Wir benötigen vor allem Sicherheit, um die Winterstromlücke schliessen zu können. In diesem Bereich haben erneuerbare Energien erhebliche Defizite. Gas-Kombi-Kraftwerke sind aus Klimasicht eben auch sehr bedenklich.»

Und auf die Frage, ob er engere Beziehungen zur Europäischen Union wünsche, reagierte er mit: «Eher nein.» Bei anderen Themen distanzierte er sich eher vom SVP-Programm, etwa bei der Wiederausfuhr von Schweizer Waffen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, die er befürwortete.

Auch eine Zusammenarbeit mit der Nato begrüsste Ritter – «unter Wahrung der Schweizer Neutralität». Bei den Hearings dürfte es also Gesprächsstoff geben, die Frage ist nur: Mit wie vielen Kandidaten? Bis Montag, 12 Uhr nimmt die Mitte Kandidaturen entgegen.

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