Auf einen Blick
- Arbeitsklima in Mitte-Geschäftsstelle sorgt für Diskussionen
- Mitte-Fraktion fordert unabhängige Umfrage
- Fünf Personen wandten sich an Ombudsmann, Vorwurf: nichts passierte
Seit Anfang 2023 gibt das Arbeitsklima in der Mitte-Geschäftsstelle öffentlich zu reden. Nach einer Intervention von Mitte-Parlamentariern im Dezember muss sich das Parteipräsidium damit erneut auseinandersetzen. Die Fraktion hat das Präsidium im Dezember offiziell «eingeladen», eine unabhängige und externe Umfrage bei den Mitarbeitenden durchzuführen.
Konkretes ist aber noch nicht passiert, die Partei ist mit der Nachfolge von Bundesrätin Viola Amherd (62) beschäftigt. Was macht Mitte-Chef Gerhard Pfister (62) im Hinblick auf das Arbeitsklima und die Aufarbeitung der Vorwürfe? Im Gespräch mit Blick lehnt Pfister eine zusätzliche externe Untersuchung ab: «In jeder Partei kann es zu Interessenkonflikten kommen. Gerade weil unsere Mitarbeitenden in Loyalitätskonflikte kommen können, haben wir bereits vor über einem Jahr eine Organisationsentwicklung mit professioneller externer Unterstützung angestossen. Alle sind eingeladen, sich hier einzubringen – und zwar intern und fair für alle Beteiligten.»
«Es sollte zu einer externen Untersuchung kommen»
Aus dem Parteipräsidium hört Blick, dass man das Thema ernsthaft angehen wolle – die genaue Form sei noch offen. In einer internen Mitteilung der Mitte-Frauen steht: «Missstände wie Mobbing oder schlechte Führungskultur sind keine Einzelfälle, sondern systemische Herausforderungen, die wir als Partei bewältigen müssen. Es geht nicht darum, der Partei zu schaden, sondern sie besser zu machen.» Wenn ähnliche Vorwürfe wiederholt auftreten, «sollte es zu einer externen Untersuchung kommen, um die Anschuldigungen entweder zu entkräften oder zu bestätigen». Zugleich gehen die Mitte-Frauen auf den Parteichef zu: «Die Kommunikation müsse konstruktiv sein, und wir werden uns in künftigen Äusserungen stärker auf Lösungsansätze und positive Perspektiven fokussieren», ist der Mitteilung zu entnehmen.
Für die Öffentlichkeit unklar ist, wie die Ombudsstelle funktioniert – auf der Mitte-Website ist hierzu nichts zu finden. Ombudsmann Sven Rüetschi (50) zu Blick: «Alle Mitarbeitenden haben jederzeit die Möglichkeit, sich direkt und vertraulich an die Ombudsstelle zu wenden. Tun sie das, dann bietet die Ombudsstelle ein telefonisches oder persönliches Gespräch unter Wahrung der Anonymität an. In einem telefonischen oder persönlichen Gespräch hört die Ombudsstelle jegliche Anliegen der Mitarbeitenden an und sucht gemeinsam mit diesen nach konstruktiven Lösungen. In der Regel empfiehlt sie eine Besprechung mit den Vorgesetzten im Beisein der Ombudsstelle. Davon unabhängig leitet die Ombudsstelle die Anliegen der Mitarbeitenden in Absprache mit diesen an das Generalsekretariat der Mitte weiter, soweit es die Vertraulichkeit erlaubt. Die Ombudsstelle ist unabhängig und informiert bei Veranlassung direkt das Parteipräsidium.»
Laut Roger Rudolph (55), Professor für Arbeitsrecht an der Uni Zürich, ist im Fall der Mitte der Name «Ombudsstelle» missverständlich gewählt: «Das weckt falsche Erwartungen. Ein externer Rechtsanwalt, an den man sich wenden kann, ist keine Ombudsstelle, wie man sie zum Beispiel in der staatlichen Verwaltung kennt.»
«Mobbing geschieht oft subtil»
Laut Claudia Stam (54), CEO und Inhaberin der Fachstelle Mobbing und Belästigung GmbH, ist eine klare Information der Mitarbeitenden, was sie von einer vertraulichen Anlaufstelle erwarten können, essenziell, um nicht falsche Erwartungen zu wecken. «Mobbing geschieht oft subtil und ist schwer nachweisbar. Einvernehmliche Lösungen sind meist ratsamer als der juristische Weg», sagt Stam zu Blick. Idealerweise bestehe eine externe Vertrauensstelle nicht nur aus einer Person, sondern mindestens aus einem Mann und einer Frau, weil es unterschiedliche Präferenzen gebe, wem gegenüber sich Mitarbeitende öffnen wollten. Um das Vertrauen in die Arbeit einer externen Vertrauensstelle zu erhöhen, solle es ein entsprechendes Reglement mit einer klar definierten Rolle der Vertrauenspersonen geben und einen jährlichen Bericht, der anonymisiert die Zahl und Art der Kontaktaufnahme mit der Meldestelle auflistet.
Pfister bestätigt gegenüber Blick: Es gibt kein Reglement, das für die Mitarbeitenden den Prozess transparent regelt. Auch konnte Blick den Vertrag mit dem Rechtsanwalt nicht einsehen, der mutmasslich die Details der Zusammenarbeit regelt. Pfister: «Alle Mitarbeitenden werden transparent informiert, wie sie sich jederzeit, vertraulich und anonym an die Ombudsstelle wenden können. Die externe Ombudsstelle ist unabhängig und informiert bei Veranlassung in geeigneter Form direkt das Parteipräsidium.»