Chaostage in der Mitte
Pfister abgestraft – jetzt brechen Machtkämpfe aus

Nach der Rücktrittsankündigung von Bundesrätin Viola Amherd hagelt es in der Mitte Absagen potenzieller Nachfolger. Für die Partei reicht das Problem aber noch viel tiefer.
Publiziert: 21.01.2025 um 20:20 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2025 um 22:19 Uhr
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Sie wollen beide nicht Nachfolger werden: Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (l.) und der ebenfalls abtretende Parteipräsident Gerhard Pfister.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

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Daniel BallmerRedaktor Politik

Gerhard Pfister (62) trat bewusst locker auf. Flankiert von Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (46) wehrte sich der abtretende Mitte-Präsident gegen den allgemeinen Eindruck, dass für die Nachfolge der zurücktretenden Bundesrätin Viola Amherd (62) nur noch Leute aus der B-Liga übrig sind.

Fast schon im Stundentakt hatten zuvor sämtliche Mitfavoriten abgewunken. Pfister dagegen betonte am Montag vor den Medien, bisher hätten vor allem jene abgesagt, die von den Medien ins Spiel gebracht worden seien. Die Mitte verfüge aber über noch viel mehr sehr gutes Personal. Seine unausgesprochene Botschaft: Keine Bange, wir haben alles im Griff.

«Wir haben ein Problem»

Alleine, so wirklich nimmt ihm diese Botschaft niemand ab. Nicht einmal in der eigenen Partei. «Wir haben ein Problem», heisst es aus der Bundeshausfraktion. «Wenn das so weitergeht, gehen uns langsam aber sicher die Kandidaten aus.» Da spiele es auch keine Rolle, wenn Pfister öffentlich ein anderes Bild zu zeichnen versuche. Unweigerlich drohen jene, die letztlich auf dem Kandidatenticket landen, wie Notnägel zu wirken – und das möglicherweise völlig zu Unrecht.

Gerne wird Pfister als grosser Stratege gefeiert. Immerhin hat er die CVP mit der BDP-Fusion zur neuen Mitte-Partei zurück zum Erfolg geführt. Nun aber lässt die Parteispitze wenig Strategie erkennen. Zu offensichtlich sind die vielen Alleingänge, die fehlenden Absprachen. Chaostage in der Mitte.

Verpasst, Strategie zurechtzulegen

Für die erste parteiinterne Überraschung sorgte Pfister gleich selber mit seinem Rücktritt als Parteipräsident. Dann wurde bekannt, dass mit Generalsekretärin Gianna Luzio auch Pfisters rechte Hand geht. Etwas überrumpelt zeigte sich die Partei dann von Amherds Rücktrittsankündigung. Dabei konnte einzig der frühe Zeitpunkt überraschen. Über einen Rücktritt aber wurde schon lange spekuliert.

Die Mitte hätte also genügend Zeit gehabt, sich eine Strategie zurechtzulegen. Hat sie offensichtlich nicht. Vogelwild sagen Möchtegern- und wirkliche Favoriten in rascher Folge ab – statt die Gelegenheit medial zu nutzen und mit längerem Zuwarten die Spekulationen zu nähren. So aber wird die neu eingesetzte Findungskommission von Anfang an dazu gedrängt, sich gerade auch ausserhalb des Bundeshauses nach willigen Kandidierenden umzusehen.

Pfister von Parteikollegen abgestraft

Pfister galt selber als grosser Favorit für die Amherd-Nachfolge. Er verzichtet. Das Amt würde ihn nicht glücklich machen, begründet er. Parteikollegen aber sind sich sicher, Pfister sei sich bewusst gewesen, dass er sogar in der eigenen Fraktion einen schweren Stand gehabt hätte. Mit seinem dominanten Führungsstil soll er in den eigenen Reihen viel Geschirr zerschlagen haben.

Tatsächlich gab es schon kurz nach Amherds Ankündigung deutliche Signale an Pfisters Adresse. Vor einer allfälligen Kandidatur seien erst die anhaltenden Mobbingvorwürfe auf dem Generalsekretariat zu klären, forderten die Mitte-Frauen. Auch Vizepräsidentin Yvonne Bürgin (54) äusserte sich in der SRF-«Arena» ungewohnt kritisch zu Pfisters möglichen Ambitionen. Und bei den Mitte-Ständeräten hatte Pfister stets einen schweren Stand. Regelmässig hatten diese ihn in der Vergangenheit abblitzen lassen.

Nun steht die Mitte vorerst nicht nur ohne Kandidaten da. Die Rücktrittswelle an der Spitze droht für die noch immer junge Partei sogar zur Zerreissprobe zu werden. Inhalt und Strukturen sind nach wie vor fragil. Eine neue Strategie ist in Arbeit. Die neu ausbrechenden Machtkämpfe zwischen dem linken und rechten Flügel könnten kaum zu einem ungünstigeren Zeitpunkt kommen. Für die Mitte wird die Neubesetzung des dreifachen Vakuums richtungsweisend sein.

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